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Der KONTEXT Common Ground-Check

Artikel Common Ground
Mittwoch, 23.07.2025
Die Polarisierung in der Klimadebatte nimmt zu. Mit dem neuen KONTEXT Common Ground-Check (CGC) wollen wir zu entpolarisierender und lösungsorientierter Kommunikation beitragen.

In den vergangenen Jahren hat sich die Klimadebatte immer mehr wegbewegt von einer wissenschaftlich geprägten Diskussion hin zu einer populistisch geführten politischen Auseinandersetzung. Zwar wird die Klimakrise kaum noch geleugnet. Ein konstruktiver Dialog wird jedoch dadurch erschwert, dass häufig Falschinformationen verbreitet, Meinungen und Fakten vermischt oder Ängste und Sorgen zugespitzt werden. Das verstärkt polarisierende Positionen und lähmt die die Bereitschaft für konkrete Maßnahmen und Entscheidungen. Eine lösungsorientierte Debatte zu Klimathemen wird damit immer schwieriger.  Begleitet wird dies von einer sich stark verändernden Medien-Landschaft, die Polarisierung insgesamt verstärkt und den demokratischen Diskurs in vielen Bereichen erschwert.

Um konstruktive, entschlossene Klimapolitik zu beschleunigen und gleichzeitig den demokratischen Diskurs zu stärken, will KONTEXT zu einer entpolarisierenden Kommunikation beitragen. Dazu wollen wir Common Ground ins Zentrum der Klimadebatte rücken. Unter Common Ground versteht KONTEXT einen konstruktiven Diskurs, der Gemeinsamkeiten findet und Lösungen identifiziert und ermöglicht. [1]

Der KONTEXT Common Ground-Check 

Um diese Ansprüche von Common Ground in der Praxis anwendbar zu machen, hat KONTEXT den Common Ground-Check (CGC) entwickelt. Dazu haben wir ausgearbeitet, welche Schritte es im Klimadiskurs braucht, um uns wieder aufeinander zu und in Richtung ambitionierter klimapolitischer Maßnahmen zu bewegen. 

Klarheit schaffen

Warum? Die Klimakrise ist enorm komplex und für uns als Gesellschaft herausfordernd. Auf welche Weise sie sich unmittelbar auf alle Lebensbereiche auswirkt, ist auf den ersten Blick oft nicht ersichtlich. Entsprechend schwierig ist es auch, wirksame Maßnahme von Scheinlösungen zu unterscheiden. Politische und wirtschaftliche Interessen führen zu einer unübersichtlichen Debatte. Machtgefälle ergeben ungleiche Möglichkeiten, sich am Diskurs zu beteiligen und lassen manche Argumente gewichtiger oder sogar richtiger erscheinen als andere.

Zentral für eine konstruktive Debatte ist daher, Klarheit zu schaffen. Dabei hilft…

  • komplexe Sachverhalte verständlich darlegen
  • größere Zusammenhänge erläutern
  • Interessenslagen benennen
  • Verschleppungstaktiken entlarven
  • Desinformation aufzeigen
  • Gegenstrategien für Desinformation und Verschleppungstaktiken anwenden
  • wirksame Lösungen samt Begründungen darlegen
  • Machtgefälle und Hegemonien ansprechen

Entpolarisierend kommunizieren

Warum? Die Klimakrise bereitet uns große Sorgen. Auch der Umbau, der notwendig ist, um die Krise einzudämmen, löst Ängste und Verunsicherung aus. Beides lähmt dringend notwendige Handlungen. Anstatt den berechtigten Kern dieser Verunsicherung zu identifizieren und in der Planung von Maßnahmen zu adressieren, werden Sorgen und Ängste jedoch häufig verstärkt, zugespitzt und zu einer Polarisierung der Debatte instrumentalisiert. 

Zentral für eine konstruktive Debatte ist daher, entpolarisierend zu kommunizieren. Dabei hilft…

  • sachliche und empathische Tonalität einbringen
  • persönliche Angriffe, Abwertungen und „Entmenschlichung“ vermeiden
  • Trennende Begrifflichkeiten und Feindbilder vermeiden
  • Kritik auf Argumente beziehen
  • Themen differenziert darstellen, statt zu verallgemeinern oder zu übertreiben
  • Vermeintliche Widersprüche ansprechen, Gleichzeitigkeiten und Komplexität würdigen
  • Vorurteile ansprechen, abbauen und die Person dahinter sehen

Bedürfnisse erkennen und Verbindendes suchen

Warum? Hinter real und vermeintlich gegensätzlichen Interessen stecken häufig unterschiedliche Erfahrungen, Lebensrealitäten und Bedürfnisse. Ohne den Versuch, diese zu erkennen und zu benennen, wird schnell das Trennende vor das Verbindende gestellt. Das verhindert einerseits, gemeinsame Werte und Bedürfnisse zu identifizieren und andererseits, verbindende Lösungen zu finden. Denn ein Verständnis füreinander ist die Grundlage wirkungsvoller Lösungen.

Zentral für eine konstruktive Debatte ist daher, Bedürfnisse zu erkennen und Verbindendes zu suchen. Dabei hilft… 

  • unterschiedliche Erfahrungen, Lebensrealitäten und Bedürfnisse anerkennen
  • Offenheit signalisieren, nachfragen und zuhören
  • Emotionen würdigen und ihnen Platz geben
  • Bedürfnisse, Motivationen und legitime Sorgen hinter den Argumenten erkennen und darauf eingehen
  • Perspektivenwechsel üben
  • gemeinsame Bedürfnisse und Werte benennen
  • Konsens suchen und Übereinstimmungen hervorheben

Lösungen entwickeln und Handlungskraft aktivieren

Warum? Die Folgen der Klimakrise sind global verheerend und auch hierzulande bereits spürbar. Steht jedoch allein die schiere Dimension des Problems im Fokus, ohne die Möglichkeiten und Mehrwerte von Lösungen aufzuzeigen, lähmt das dringend notwendiges Handeln. Wird Verantwortung  aud andere abgeschoben, verhindert das, gemeinsame Ziele zu setzen und Wege zu gestalten. Dadurch gehen wichtige Handlungsräume verloren.

Zentral für eine konstruktive Debatte ist daher, Lösungen zu entwickeln und Handlungskraft zu aktivieren. Dabei hilft… 

  • Handlungsspielräume aufzeigen, den Blick auf Chancen richten
  • Gemeinsame Ziele identifizieren und Lösungen kreieren
  • Lösungsvorschläge auf glaubwürdige Quellen aufbauen
  • Vorteile und Mehrwert von Lösungen betonen
  • Geschichten über positive Entwicklungen, Lösungsansätze oder Menschen als Inspiration anbieten
  • Verantwortung übernehmen und bei anderen klar benennen und einfordern
  • Machbare nächste Schritte gemeinsam entwickeln

Risiken von Common Ground im Klimadiskurs erkennen und vermeiden 

Common Ground in Klimafragen hilft, den demokratischen Diskurs zu stärken und konstruktiv zu argumentieren. Jedoch bergen einige der Schritte auch Risiken, die konstruktive Lösungen bremsen oder verhindern können, anstatt sie zu ermöglichen. Um diese Risiken im Blick zu halten und bestenfalls zu vermeiden, helfen folgende Fragen als Teil des Common Ground-Checks: 

False Balance vermeiden 

Um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, müssen unterschiedliche Perspektiven, Bedürfnisse und Interessen abgewogen werden. Werden jedoch alle Positionen unabhängig von der Faktenlage als gleichermaßen berechtigt dargestellt, kann eine falsche Gleichgewichtung („False balance“) entstehen. 
Frage zum Check: Werden wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse oder ethische Grundsätze auf die gleiche Stufe mit Meinungen gestellt?

Inkrementalismus vermeiden

Um der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht zu werden, braucht es Offenheit für Kompromisse, wo sie sinnvoll sind – aber auch die Bereitschaft, klare Positionen zu vertreten, wo grundlegende Veränderungen notwendig sind. Nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu setzen, verwässert oder verhindert transformative Lösungen. 
Frage zum Check: Fallen transformative Lösungen schwachen Kompromissen zum Opfer?

Deutlich bleiben

Wird eine differenzierte Kommunikation zu zurückhaltend oder schwammig, dominieren jene Stimmen, die am lautesten oder kompromisslosesten auftreten. Dadurch gehen konstruktive, aber komplexe Lösungsansätze unter.
Frage zum Check: Sind die eigenen Positionen und Argumente deutlich genug und ist die Kommunikation klar und effektiv?

Kurs halten 

In aufgeheizten Debatten kann es passieren, dass man sich von deren Dynamik vereinnahmen lässt: entweder, indem man sich von der Polarisierung mitreißen lässt, oder indem man mit Blick auf Kompromisse klare Linien und Prinzipien aus den Augen verliert
Frage zum Check: Besteht die Gefahr, entweder zu stark auf Harmonie und Kompromiss bedacht zu sein oder sich von der Polarisierung mitreißen zu lassen?

Konstruktive Kontroverse zulassen

Kontroverse Debatten sind ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Prozesse. Werden Widersprüche durch den Anspruch, sie aufzulösen, unterdrückt, kann das kontroverse, aber notwendige Diskussionen der Öffentlichkeit entziehen. 
Frage zum Check: Geht die Entpolarisierung auf Kosten der konstruktiven inhaltlichen Auseinandersetzung?

Der KONTEXT Common Ground-Check in der Anwendung

Der KONTEXT Common Ground-Check dient als Grundlage, um die Ansprüche von Common Ground in Klimafragen – konstruktiver Diskurs, das Finden von Gemeinsamkeiten und das Identifizieren und Ermöglichen von verbindenden Lösungen – in unterschiedlichen Formaten anzuwenden: von Veröffentlichungen, über Events und (Podiums-)Diskussionen bis hin zu Social Media Postings und Videos. Gleichzeitig soll der KONTEXT Common Ground-Check auch anderen ermöglichen, an entpolarisierender Kommunikation im Klimadiskurs mitzuwirken. Für unterschiedliche Formate und deren Zielgruppen, kann der KONTEXT Common Ground-Check entsprechen angepasst und erweitert werden. Ziel sollte dabei immer bleiben, konstruktive, entschlossene Klimapolitik zu beschleunigen und gleichzeitig den demokratischen Diskurs zu stärken. 

Den KONTEXT Common Ground-Check in einer Kurzversion als Pocketguide gibt es hier:

[1] Der Begriff Common Ground wird unterschiedlich verwendet, unter anderem auch in der Sprachwissenschaft. In unserer Verwendung von Common Ground lehnen wir uns an die ursprüngliche Bedeutung des englischen Begriffs – z. B. hier – um damit einen konstruktiven Diskurs, der Gemeinsamkeiten findet und Lösungen identifiziert und ermöglicht beschreibbar und über den Common Ground-Check anwendbar zu machen.

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