[KON]KLUSIO: Wie Klimaschutz verschleppt wird

Analyse Klimadebatte Klimapolitik
Freitag, 16.02.2024
Der Werkzeugkoffer für effektiven Klimaschutz liegt bereit. An welchen Stellschrauben gedreht werden muss, ist bekannt und die Dringlichkeit wird immer klarer. Trotzdem werden die notwendigen Entscheidungen hinausgezögert, während sich die Lage verschärft. Kurz: Klimaschutz wird verschleppt. Die Taktiken, die dazu eingesetzt werden, sind vielseitig und oft schwer zu erkennen. Gemeinsam haben sie, dass sie vorhandene Unsicherheiten und berechtigte Sorgen verstärken und mit Desinformation vermischen. Um Handlungsspielraum im Klimaschutz zurückzugewinnen, gilt es, Verschleppungstaktiken [1] zu erkennen und entkräften.

Überblick der Verschleppungstaktiken nach Lamb et al. (2020), angepasst von KONTEXT

Fossilwirtschaft treibt die Verschleppung von Klimaschutz voran

International ist gut belegt, dass die Fossilwirtschaft lange Zweifel an der Klimakrise gestreut hat. Aber das Leugnen wird immer schwieriger. Deshalb werden jetzt vor allem konkrete klimapolitische Maßnahmen angegriffen und damit verschleppt. Wie bei einer Konkursverschleppung wird an überholten Geschäftsmodellen festgehalten, um das Vermögen, das sie abwerfen, zu schützen. Die Fossilwirtschaft zögert damit aktiv hinaus, was unvermeidbar ist: Eine Transformation hin zu einer klimafreundlichen Gesellschaft und Wirtschaft – einerseits indem sie Verschleppungstaktiken direkt anwendet, andererseits durch finanzielle Unterstützung jener, die sie aktiv verbreiten.

Schematische Darstellung der Verbreitung von Klimawandel-Desinformation nach Treen et al. (2020), angepasst von KONTEXT

Verschleppungstaktiken verbreiten sich in der Öffentlichkeit

Die Gefahr der Verschleppungstaktiken: Sie sind schwer zu erkennen. Auch wenn nur manche sie bewusst anwenden, werden die Argumentationslinien von vielen unbewusst übernommen – oft ohne die Absicht Klimaschutz hinauszuzögern. Denn wer Verschleppungstaktiken anwendet, leugnet weder die Klimakrise noch ihre Auswirkungen. Stattdessen wird an konkreten Diskussionspunkten im Klimaschutz angesetzt: Welche Maßnahmen sollen umgesetzt werden? Wie schnell darf das gehen? Wie sollen Kosten und Nutzen dabei verteilt werden? Diese Fragen zu stellen ist notwendig, um Klimapolitik sozial gerecht zu gestalten und für Investitions- und Planungssicherheit in der Wirtschaft zu sorgen. Verschleppungstaktiken verstärken aber bewusst vorhandene Unsicherheiten und berechtigte Sorgen und vermischen sie mit Desinformation. Was davon in der Öffentlichkeit ohne Einordnung und Faktencheck ankommt, wird häufig ungefiltert weiterverbreitet.

Zurück zum Handeln

Das führt dazu, dass Positionen in der klimapolitischen Debatte einzementiert werden und niemand bereit ist, konkrete Entscheidungen zu treffen. Die Umsetzung von Maßnahmen gerät ins Stocken, die Transformation wird verhindert. Um zu einer konstruktiven Debatte zurück- und klimapolitisch voranzukommen, ist es notwendig, Verschleppungstaktiken zu erkennen und zu entkräften – oder ihnen vorzubeugen. Denn am effektivsten ist es, wenn sie sich erst gar nicht in der klimapolitischen Debatte festsetzen können.

Mehr zu Verschleppungstaktiken haben wir in unserer ersten [Kon]klusio zusammengefasst: Sie beschreibt deren argumentativen Muster und ergründet ihre Anwendungsbereiche, Wurzeln und Auswirkungen. Und sie schließt mit konkreten Empfehlungen: Wie können Medien, Politik und Zivilgesellschaft gegen die Verschleppung von notwendigen Maßnahmen vorgehen und politische Entscheidungen zugunsten der Transformation fördern? Hier geht’s zum Download:

[KON]KLUSIO: Wie Klimaschutz verschleppt wird

202402 Konklusio Verschleppungstaktiken

[1] Die Erklärungen zu Verschleppungstaktiken basieren auf der Publikation "Discourses of Climate Delay" von Lamb et al. (2020).

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