Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
Österreich steckt in der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, und es sind nicht nur konjunkturelle, sondern strukturelle Probleme, die die Wirtschaft straucheln lassen. Immer neue Berichte über Werksschließungen und Massenkündigungen belegen, wie weit die Krise bereits fortgeschritten ist.
Die Ursachen? Hohe Energiepreise – getrieben durch unsere Gasabhängigkeit und den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine – und die stockende Nachfrage, insbesondere aus der deutschen Automobilindustrie, die mit der wachsenden Dominanz der Elektromobilität in China kämpft.
Die nächste Regierung darf den wirtschaftlichen Stillstand nicht einfach hinnehmen, sondern muss konsequent die Weichen stellen: für die Energiewende und die Förderung innovativer Technologien. Denn in der Ökologisierung liegt die Chance, Österreich widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger zu machen.
Die künftigen Ministerinnen und Minister müssen dafür das Rad nicht neu erfinden. Produktive Vorschläge gibt es in rauen Mengen. Mehr noch: es wäre schon ein großer Schritt, allein jene Maßnahmen umzusetzen, die auf EU-Ebene ohnehin schon beschlossen sind und deren Umsetzung teilweise bereits mittels Vertragsverletzungsverfahren von Österreich eingefordert werden.
Anfang dieser Woche hat die neue EU-Kommission ihr Amt angetreten. Präsidentin Ursula von der Leyen verspricht, innerhalb von 100 Tagen den Clean Industrial Deal zu präsentieren.
Dieses Programm soll das nächste Zwischenziel am Weg zur Klimaneutralität, nämlich eine Emissionsreduktion von 90 Prozent (gegenüber 1990) bis zum Jahr 2040, ermöglichen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken. Der Clean Industrial Deal ist die Fortsetzung des Green Deal, Emissionen zu reduzieren und die europäische Wirtschaft zu ökologisieren.
Der Auftakt ist gelungen. Ein Großteil der Maßnahmen des Green Deals wurde umgesetzt - darunter das richtungsweisende EU-Klimagesetz, das die Emissionsreduktion um 55 Prozent bis 2030 und bis 2050 vollständige Klimaneutralität verbindlich vorschreibt.
Das Maßnahmenpaket hat Europa durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Entwicklung innovativer Technologien auch auf einen deutlich nachhaltigeren Kurs gebracht. Während die Welt vor dem Green Deal auf eine Erderwärmung von über 4 °C bis Ende des Jahrhunderts zusteuerte, liegt das prognostizierte Plus heute bei etwas über 2 °C. Ein Fortschritt, der zeigt: Ehrgeizige Klimapolitik macht einen spürbaren Unterschied.
Die nächste österreichische Regierung sollte sich die Ambitionen von Ursula von der Leyen zum Vorbild nehmen. Sie muss den Mut aufbringen, die längst überfällige Transformation der Wirtschaft entschlossen anzugehen. Ein umfassendes Standortpaket muss her – und zwar innerhalb der ersten 100 Tage. Fünf Punkte sind dabei essenziell:
1. Ausbau erneuerbarer Energien und Netze
Dazu gehört der Beschluss des fertigen Erneuerbaren-Ausbaubeschleunigungsgesetz (EABG) und des Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG). Beide Gesetze kommen einer EU-Richtlinie, für deren Fehlen die EU-Kommission im Oktober beispielsweise ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet hat. Beide Gesetze sorgen dafür, dass die Energiewende vorangetrieben wird.
2. Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen im Bestand
Noch immer heizen rund 1,4 Millionen Haushalte in Österreich mit Öl oder Gas. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) muss so überarbeitet werden, dass Haushalte mit einem klaren Enddatum für fossile Brennstoffe im Bestand, Planungssicherheit für den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen erhalten. Die Umsetzung des Gaswirtschaftsgesetzes (GWG) sollte zudem die Stilllegung von Gasnetzen ermöglichen, um steigende Netzkosten zu vermeiden.
3. Industrie elektrifizieren
Die Nutzung von Strom und Wasserstoff statt fossilen Brennstoffen in der Industrie ist essenziell, um Energiekosten zu stabilisieren und die Unabhängigkeit der Industrie zu sichern. Österreich könnte so zum führenden Anbieter nachhaltiger Industriegüter werden.
4. Zukunftstechnologien fördern
E-Mobilität, Wärmepumpen, Geothermie, Speichersysteme, grüne Wasserstoffproduktion für die Industrie und andere Zukunftstechnologien müssen unterstützt werden. Es braucht Klarheit und Investitionen, damit Österreich nicht nur Anwender bleibt, sondern direkt an der Entwicklung beteiligt ist.
5. Klimaschädlichen Subventionen abschaffen oder ökologisieren gerade jetzt ist budgetärer Spielraum für die Investitionen in die Ökologisierung notwendig. Die Reform der Pendlerförderung, des Dienstwagenprivilegs oder des Dieselprotektionismus bieten die Chance, Ausgaben einzusparen und gleichzeitig eine ökologisch und sozial gerechtere Lenkungswirkung zu erzielen. So könnte beispielsweise eine Angleichung der Dieselbesteuerung an das Benzin-Niveau rund 500 Millionen Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen und zugleich den CO₂-Ausstoß um 648.000 Tonnen pro Jahr senken.
Nur mit einem beherzten Standortpaket kann die nächste Regierung die heimische Wirtschaft vor weltpolitischen Verwerfungen schützen und sie zu einem Player im globalen Wettbewerb um Zukunftstechnologien machen. Und nur auf diese Weise wird es der nächsten Regierung gelingen, neue Jobs für Menschen, Wettbewerbsfähigkeit für Unternehmen und Wohlstand für alle zu schaffen.
Direktor Mario Draghi in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU oder der österreichische Produktivitätsrat in seinem aktuellen Bericht oder jene Unternehmen, die für den jüngsten PWC-Marktcheck befragt wurden.
Das alles mag ambitioniert klingen, aber es ist kein utopisches Wunschdenken. Europa zeigt, dass Transformation möglich ist. Ursula von der Leyen legte den Green Deal binnen 41 Tagen vor. Warum sollte Österreich nicht dasselbe Tempo an den Tag legen? Die Zeit des Zauderns ist vorbei.