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Wie Klimapolitik schlecht geredet wird – und wie es anders ginge

Kommentar Klimapolitik
Montag, 05.05.2025
Klimapolitik entscheidet sich dadurch, wie darüber gesprochen wird. Wie machen das Medien? Wie die Politiker? Wie verhält sich die Zivilgesellschaft? Eine neue Studie nimmt das unter die Lupe. Expertin Katharina Rogenhofer über die Ergebnisse.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at

Wie über Klimapolitik gesprochen wird, beeinflusst, welche politischen Entscheidungen getroffen werden. Und wie über Klimapolitik gesprochen wird, verändert sich. Zwar äußern sich die meisten in den österreichischen Medien weiterhin überwiegend konstruktiv. Aber der Trend geht in die andere Richtung. Die Klimakrise und ihre Folgen werden zwar weitestgehend nicht geleugnet, die Maßnahmen dagegen aber immer häufiger verschleppt.

Verschleppung heißt zum Beispiel, dass nur die Nachteile von klimapolitischen Maßnahmen betont oder gar Ängste geschürt werden. Da hört man Argumente, wie: "Klimaschutz zerstört die Wirtschaft", oder "Das schadet nur den Armen", ohne dass konstruktive Lösungen angeboten werden.

Oder die Verschleppung geschieht, indem Verantwortung abschoben wird: "Das Weltklima wird nicht in Niederösterreich gerettet" und "Zuerst muss China anfangen". Oder aber: "Jeder Mensch soll das für sich entscheiden". Verschleppungstaktiken finden sich auch in Scheinlösungen: "Alle sollen ihren Verbrenner behalten, irgendwann tanken wir mit E-Fuels", oder „Es braucht Anreize statt Regeln”.

Die Gefahr der Verschleppungstaktiken: Anders als Leugnung sind sie schwer zu erkennen. Auch wenn nur manche sie wirklich bewusst anwenden, werden die Argumentationslinien von vielen unbewusst übernommen – oft ohne die Absicht Klimaschutz hinauszuzögern. Denn sie sind eingängig.

Wer findet nicht, dass China auch zum Klimaschutz beitragen müsse, oder hofft auf eine Wunderlösung, die uns wenig Veränderung abverlangt? Das Problem ist aber, dass all diese Argumentationen denselben Schluss nahelegen: Wir müssen jetzt nicht handeln. Und das ist in einer sich beschleunigenden Klimakrise mit zunehmenden Extremwetterereignissen, die wir auch schon hier in Österreich spüren, schlichtweg fahrlässig.

Um Verschleppungstaktiken zu erkennen und ihnen konstruktiv zu begegnen, braucht es deshalb ein tiefgreifendes Verständnis davon, wie die Klimadebatte geführt wird. Darum schauen wir uns im KONTEXT Institut für Klimafragen jedes Jahr im "Klimadiskurs-Monitoring" an, wer in den österreichischen Medien wie und über welche Klimathemen spricht. Die neueste Ausgabe der Studie haben wir gerade veröffentlicht.

Weniger, aber kontroversere Klimadebatte

Das Monitoring zeigt, dass Klimathemen im Jahr 2024 in österreichischen Medien weniger präsent waren als noch 2023. Zwar überwiegen weiterhin konstruktive Aussagen, aber verschleppende Aussagen nahmen zu.

Die Klimadebatte wird vorrangig von Politiker:innen bestimmt. Sie wenden auch häufiger Verschleppungstaktiken an als andere Akteursgruppen, wie Wissenschafter:innen, Zivilgesellschaft oder Interessenvertretungen. Wenig überraschend, sprechen SPÖ und Grüne eher konstruktiv über Klimapolitik, ÖVP eher und FPÖ ausschließlich verschleppend.

Die meistdiskutierten Themen sind dabei Energie und Mobilität. Während Unternehmen und Interessensvertretungen stärker über Energie sprechen, äußert sich die Zivilgesellschaft und Aktivist:innen stärker zu Mobilität. Bei Technologien stehen erneuerbare Energien und Elektrifizierung im Vordergrund. Zum Großteil werden diese Technologien konstruktiv diskutiert.

Polarisierender wird über den Verkehrsbereich gesprochen, wo medial effiziente Lösungen gegen fossile Technologien und Scheinlösungen wie E-Fuels abgewogen werden.

Wie geht es konstruktiver?

Im Jahr 2024 waren etwa das EU-Renaturierungsgesetz und das Zulassungsende von Verbrenner-Autos anschauliche Beispiele für Verschleppungstaktiken – dafür, wie legitime Bedenken politisch instrumentalisiert oder durch Desinformation überzeichnet werden. Es war von Enteignungen die Rede und von Schmetterlingszählungen, die Landwirt:innen angeblich durchführen müssten, wenn das EU-Renaturierungsgesetz beschlossen würde.

Beides ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Desinformation hat jedoch die Aufgabe erfüllt, Vorbehalte in der Bevölkerung zu schüren. Ähnliches war bei der Debatte um das Zulassungsende für Verbrenner-Autos 2035 der Fall. Mit dem Verweis auf E-Fuels und der Möglichkeit irgendwann "grün" zu tanken, liefen viele politische Akteur:innen gegen die Regelung Sturm, obwohl mit ihr emissionsfreie Antriebe sowieso umfasst wären.

Das zeigt: das Beharren auf "Technologieoffenheit" oder der ausschließliche Fokus auf Anreize statt klaren Regelungen führt meist dazu, den Status quo beizubehalten und notwendige strukturelle Veränderungen zu vermeiden.

Um solchen Verschleppungstaktiken entgegenzuwirken, haben wir uns in der Studie auch angesehen, wie konstruktiver Diskurs funktioniert und wie damit klimapolitische Maßnahmen und Entscheidungen beschleunigt werden können.

Was sich zeigt: Argumente sind dann konstruktiv, wenn sie legitime Bedenken adressieren, wirksame Lösungen anbieten und den wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Mehrwert von klimapolitischen Maßnahmen hervorheben. Den eigene Handlungsspielraum zu benennen und Verantwortung zu übernehmen ist gerade für Akteur:innen mit großer Handlungsmacht zentral – etwa der Politik.

Was heißt das für Österreich, etwa für die Bundesregierung?

Der Mehrwert der Ökologisierung zeigt sich zum Beispiel in der aktuellen Spardebatte: Durch die Reform der klimaschädlichen Subventionen können jährlich über eine Milliarden Euro an Steuergeld eingespart und über 750.000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden. Das hilft nicht nur dem Klima, sondern auch dem Budget.

Ganz generell gilt: die Ökologisierung kann einen großen Beitrag zur Erreichung vieler gesellschaftlicher Ziele leisten – die Wahrung der Sicherheit in Österreich, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung zukunftsfitter Arbeitsplätze. Wer diesen Mehrwert erkennt, kann auch jene Menschen überzeugen, für die der Klimaschutz keine Priorität hat.

Menschen zu überzeugen, gelingt aber nur dann, wenn proaktiv Verantwortung übernommen wird. Im Fall der Bundesregierung würde das etwa bedeuten, den Zielen und Absichten im Regierungsprogramm rasch konkrete Maßnahmen folgen zu lassen und vor allem wirksame Lösungen anzubieten.

"Technologieoffenheit" wird im aktuellen Regierungsprogramm viermal genannt. Um wirksame Lösungen voranzutreiben und um die Gefahr zu vermeiden, dass Förderung ineffizient eingesetzt werden, braucht es stattdessen Technologieklarheit und einen Fokus auf jene Technologien, die marktreif und möglichst effizient sind.

Wie gesagt: Wie wir darüber sprechen, beeinflusst, welche Entscheidungen getroffen werden. Nicht-Handeln ist keine Option. Umso wichtiger ist konstruktiver und lösungsorientierter Diskurs – gerade in der Politik.

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