Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
2024 ist ein Superwahljahr – für rund 3,5 Milliarden Menschen weltweit werden heuer neue Regierungen oder Staatsoberhäupter gewählt. Auch in den USA wählen die Bürger:innen Anfang November einen neuen Präsidenten – oder eine Präsidentin. Denn mit dem Rücktritt Joe Bidens könnte zum ersten Mal eine Frau das oberste Amt innehaben: Kamala Harris. Was würde das für den Kampf gegen die Klimakrise bedeuten? Und was kommt auf uns und das Klima zu, wenn Donald Trump wiedergewählt wird?
Der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris werden große Klimaschutz-Ambitionen nachgesagt. Sie hat bereits vor 20 Jahren als Bezirksstaatsanwältin von San Francisco eine der landesweit ersten Umweltgerechtigkeits-Einheiten ins Leben gerufen. Als Generalstaatsanwältin, erkämpfte sie später nach Umweltverstößen mit Konzernen wie VW und Ölfirmen Vergleiche in Millionenhöhe. Volkswagen musste im Skandal um manipulierte Emissionswerte bei Dieselautos 86 Millionen Dollar an den US-Bundesstaat Kalifornien zahlen, ingesamt 603 Millionen Dollar an 44 US-Bundesstaaten.
In ihrer Zeit als US-Senatorin unterstrich Kamala Harris ihren Einsatz für Umweltschutzthemen, indem sie den Green New Deal unterstützte.
Der Kern des europäischen Green Deal (hier mehr dazu lesen) ist das europäische Klimagesetz. Es setzt rechtlich fest, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Um dieses Ziel zu erreichen, beinhaltet der Green Deal eine große Anzahl weiterer Rechtsakte und Maßnahmen, die beispielsweise die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 sicherstellen sollen.
Der US-amerikanische Green New Deal hingegen ist eine unverbindliche Sammlung an potenziellen Lösungen, eine Plattform für Maßnahmen zur Ökologisierung, die seit den frühen 2000ern immer wieder von verschiedenen Organisationen und Politiker:innen aufgegriffen, erweitert und unterstützt wird. Der Name spielt auf den "New Deal" an, der von Präsident Franklin D. Roosevelt geprägt wurde. Ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise der 1920er und 1930er Jahre übernahm der Staat eine tragende Rolle beim massiven Ausbau von Infrastruktur und der Umsetzung von Wirtschafts- und Sozialreformen.
Der "Green New Deal" soll ähnliche Anstrengungen mobilisieren, nur eben mit dem Ausgangspunkt der Klimakrise – sie soll mit Arbeits-, Energie-, Sozial- und Wirtschaftsreformen bekämpft werden. Einige daran angelehnte Maßnahmen fanden sich schließlich in Kamala Harris‘ Programm für die Präsidentschaftsvorwahlen 2019: Klimaneutralität schon 2045 statt 2050, ein CO2-freies Stromsystem bis 2030 und ein Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035. Sie befürwortete auch die Einführung einer CO2-Steuer, Öko- und Infrastrukturmaßnahmen im Umfang von zehn Billionen Dollar und ein Verbot für das Bohren nach Öl und Gas auf öffentlichen Flächen.
Als Vizepräsidentin wurde Kamala Harris zur Verfechterin von Joe Bidens Klimapolitik.Die Klimaagenden der USA sind im "Inflation Reduction Act" integriert, der gegen den Widerstand der Republikaner beschlossen wurde. Dieses Klima- und Energiepaket sieht vor, die Treibhausgasemissionen der USA bis 2030 um 42 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken. Die Einführung des Gesetzes wirkt: Mehr als 170.000 "Green Jobs" wurden geschaffen, der Verkauf von Wärmepumpen übersteigt erstmals jenen von Gasboilern und viele hunderte Millionen wurden in die Verbesserung von Luftqualität, die Durchsetzung von Umweltgerechtigkeit und den Schutz von Ökosystemen investiert.Sollte Kamala Harris Präsidentin werden, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit versuchen, die Klimaschutzambitionen ihres Vorgängers weiterzuführen oder sogar auszubauen. Ganz so mutig, wie vor ihrer Zeit als Vizepräsidentin, wird sie aber wohl nicht sein. Ihr Kampagnenbüro gab etwa bekannt, dass sie sich nicht gegen Fracking – eine sehr umweltschädliche Form der Erdgasförderung – aussprechen wird. Auch der Beschluss anderer wichtiger Maßnahmen, wird mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen wohl nicht ganz einfach.
Sollten sich die Bürger:innen der USA im Herbst für Donald Trump entscheiden, sieht es für den weltweiten Klimaschutz düster aus. Schon in seiner letzten Amtsperiode hat Trump veranlasst, dass die USA als bisher einziges Land aus dem Pariser Klimaabkommen austraten. Große Teile der Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgängers Barack Obama hat er zurückgebaut und gleichzeitig die Öl- und Gasindustrie unterstützt. Sein Auftritt in diesem Wahlkampf lässt darauf schließen, dass er im Falle eines Sieges wohl wieder viel daran setzen wird, effektiven Klimaschutz möglichst zu verhindern.
Ein Grund für diese Annahme ist das "Project 2025", eine Sammlung ultrakonservativer bis rechter politischer Fantasien, die eine grundlegende Umstrukturierung der US-Regierung anstreben. Ob Privatisierung des nationalen Hochwasserversicherungsprogramms, der nationalen ozeanischen und atmosphärischen Verwaltung oder Auflösung der Abteilungen für Forschung und Umsetzung im Bereich saubere Energie – effektiver Klimaschutz soll verunmöglicht werden. Auch 140 Personen der letzten Trump-Administration haben an dem Dokument mitgearbeitet. Trump verspricht außerdem in seinen Wahlkampfreden, den Inflation Reduction Act rückabzuwickeln.
Bekleidet Donald Trump ab Herbst das höchste Amt, kann das vielfach negative Auswirkungen für Europa haben: ob Handelskriege durch die Einführung von Zöllen, sicherheitspolitische Gefahren durch die Annäherung an Putin oder Unterstützung nationalistischer Kräfte in der EU selbst. Für effektiven Klimaschutz wäre der Republikaner ebenfalls eine Katastrophe. Öl- und Gas würden wohl in vollem Umfang weiter gefördert und die von Biden gesetzten Maßnahmen rückgebaut werden.
Sollte die nächste US-Präsidentin Kamala Harris heißen, könnte sich das für zukünftige Zusammenarbeit im Klimabereich positiv auswirken. Die Klimastrategie der USA hat große Auswirkungen auf die globalen Emissionen, schließlich verzeichnet das Land den zweithöchsten Ausstoß von Treibhausgasen weltweit (nach China). Die Wahl im November ist also eine Richtungsentscheidung für die ganze Welt. Sie wird wohl festlegen, wie und ob wir es schaffen, die Folgen der Klimakrise noch einzudämmen.