Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
Leistbarer Wohnraum ist in Österreich rar. Durch die stotternde Bauwirtschaft könnte sich das Problem weiter verschärfen. Um sie anzukurbeln, hat die Regierung ein Wohn- und Baupaket geschnürt. Der Nationalrat gab kürzlich für Teile davon grünes Licht: Eine Milliarde Euro an Zuschuss stellt der Bund den Ländern in den kommenden drei Jahren zur Verfügung, zweckgebunden für den Wohnbau. 25.000 neue Wohneinheiten sollen damit geschaffen werden.
So weit, so gut. Allerdings nur 5.000 davon durch Sanierungen. Das Problem daran: Wo neu gebaut wird, wird wertvoller Boden versiegelt – während Leerstand ungenützt bleibt und Ortskerne aussterben. Gleichzeitig fressen schlecht gedämmte Wohneinheiten und klimaschädliche Gasheizungen weiterhin massive Energiemengen und treiben die Kosten für Bewohner:innen in die Höhe.
Anstatt mehr Geld in Neubau zu stecken, sollte die Aufgabe der Bauwirtschaft angesichts von Klimakrise und Teuerung eigentlich lauten: Sanieren, dämmen, Heizungen tauschen.
Nutzbaren Wohnraum gibt es prinzipiell genug. Mehr als 650.000 Wohnungen und Häuser stehen laut Statistik Austria leer, das ist rund jede 7. Wohneinheit. Trotzdem verbrauchen wir jeden Tag zwölf Fußballfelder neuen Boden in Österreich, die Hälfte davon asphaltieren oder betonieren wir.Das hat massive Auswirkungen auf das Klima: Böden sind die größten Senken für Kohlenstoff, absolute Spitzenreiter sind intakte Moore. Ein einziger Hektar nimmt etwa jährlich bis zu einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre auf. Das entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Ausstoß eines kleinen Autos. Aber auch Grünland, Wälder und nachhaltig bewirtschaftete Äcker können CO2 speichern. Wird ein Boden bestmöglich mit Wasser versorgt, kühlt er gemeinsam mit der darauf wachsenden Vegetation die Umgebung. Allein ein Hektar senkt die Lufttemperatur um bis zu fünf Grad Celsius. Funktionsfähige Böden, in denen Wasser gut versickern kann, spielen eine wesentliche Rolle, um Katastrophen wie Überschwemmungen und Muren vorzubeugen – und sie liefern Wasser in trockeneren Phasen.
Durch Neubauten wie Shoppingcenter oder Einfamilienhaus-Siedlungen auf der grünen Wiese gehen also nicht nur Flächen, sondern auch alle wichtigen Funktionen des Bodens verloren, die das Klima regulieren. Ja, leistbarer Wohnraum ist dringend notwendig. Aber jeden Cent, der jetzt in den Wohnbau fließt, müssen wir akribisch auf seine Klimatauglichkeit prüfen.
Ein gutes Instrument zur Finanzierung haben wir bereits, die Wohnbauförderung. Wir müssen es nur richtig einsetzen. 1,3 Milliarden Euro betrug die Wohnbauförderung 2022. Der Haken: Weil das Geld nicht zweckgewidmet ist, stecken die Länder lediglich ein Drittel davon tatsächlich in die Schaffung von neuem Wohnraum. Mit dem neuen Wohnbaupaket pumpt die Regierung zusätzlich Geld ins System.
Wir sehen: immer nur mehr Geld löst die grundlegenden Herausforderungen nicht. Denn fließt es rein in Neubauten, wäre das, als würde man hungrig vor dem vollen Kühlschrank stehen und, anstatt sich etwas zu kochen, wieder einkaufen gehen. Wir sollten also lieber mit jenen Zutaten kochen, die wir schon haben – Leerstand beleben und alten Wohnraum aufwerten.
Damit zur guten Nachricht: Die Bauwirtschaft braucht den Neubau nicht. Ihre Auftragsbücher kann sie auch füllen, ohne dabei die Landschaft von grün in grau zu verwandeln – etwa mit Sanierungen und Heizungstausch. Wir erhalten schöne, wertvolle Bausubstanz und bringen das Leben in die Orte zurück. Die Warnung, dass mit Neubau das falsche Signal gesetzt wird, kommt auch mitten aus der Branche selbst, etwa in einer Aussendung der österreichischen Ziviltechniker:innen im Februar. Sie stellen klar, dass die große Aufgabe im 21. Jahrhundert die Nutzung der vorhandenen Bausubstanz ist. Und sie betonen auch: Nur umweltfreundliches Wohnen ist tatsächlich leistbares Wohnen.
Denn: Ein Viertel der Energie, die in Österreich verbraucht wird, stecken wir ins Wohnen. Die Energierechnungen der letzten Jahre zeigen, dass es auch auf die Geldbörse schlägt, wenn Preise durch Abhängigkeiten von Regimen wie Russland in die Höhe getrieben werden. Zusätzlich leben viele Menschen, die am Ende des Monats jeden Cent umdrehen müssen, in Wohnungen mit schlechter Dämmung und alten Fenstern. Wo jedoch Wohnraum saniert, Wände gedämmt und Gasheizungen durch klimafreundliche Alternativen ersetzt werden, sinkt auch die Energierechnung drastisch. Die Kosten reduzieren wir dabei in einem Atemzug mit der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Gas. Wertvollen Boden für Landwirtschaft und Natur erhalten wir ganz nebenbei.
Um nachhaltigen und kostengünstigen Wohnraum zu schaffen, müssen allerdings grundlegende Dinge in Angriff genommen werden: In Mietshäusern etwa können Mieter:innen nicht darüber entscheiden, wie sie heizen oder ob die Wohnung saniert wird. Vermieter:innen haben gleichzeitig wenig Anreize zu investieren. Die braucht es aber, genauso wie strukturelle Veränderungen in der Gesetzgebung. Schließlich wohnt in Österreich knapp die Hälfte der Menschen in Mietverhältnissen.
Steuerliche Anreize für ökologische Sanierungen und Heizungstausch sind also genauso wichtig wie ein rechtlicher Rahmen. Klare Spielregen müssen dafür sorgen, dass saniert statt neu gebaut, Leerstand genutzt und Spekulation verhindert wird. Dafür sollte auch die Wohnbauförderung wieder zweckgewidmet werden. Neben Geld des Bundes und klaren Gesetzen braucht es die notwendigen Strukturen auch von den Bundesländern. Die Zuständigkeit für Wohnbau und Raumordnung liegt in ihren Händen.
Bauen wir statt an neuen Gebäuden an diesem soliden Rahmen, um ausgestorbene Ortskerne wieder zu beleben, Leerstand zu nutzen und Bestand zu sanieren, schaffen wir eine Win-Win-Situation: Heimische Betriebe mit vollen Auftragsbüchern, weniger Bodenversiegelung und leistbaren Wohnraum für die Menschen.