"Wie es mit dem Klima weitergeht, entscheidet die ÖVP"

Kommentar Klimapolitik EU
Freitag, 11.10.2024
Welche Koalition wählt der Umweltschutz? Expertin Katharina Rogenhofer hat sich angeschaut, ob ein Pakt zwischen Volkspartei und Freiheitlichen oder eine Dreierkoalition besser fürs Klima wäre.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at. 

Österreich hat gewählt. Aus jener Wahl, bei der klimapolitisch besonders viel auf dem Spiel stand, ging ausgerechnet die FPÖ als Sieger hervor, die einzige Partei in Österreich, die die menschengemachte Klimakrise leugnet. Bei den Nachwahlbefragungen ist das Thema Klima für viele Wähler:innen ebenfalls weit nach unten gerutscht. Spannend ist: obwohl es weniger Priorität hat, sind unter den Wähler:innen aller Parteien jedoch interessante Mehrheiten zu vielen klimarelevanten Maßnahmen möglich. Und die braucht es auch.

Denn die nächste Regierung ist die letzte, die die Ökologisierung der Gesellschaft und Wirtschaft aufgleisen kann. Bis zum Jahr 2030 muss Österreich seinen Teil der EU-Klimaziele erfüllen und den Treibhausgasausstoß um 48 Prozent senken. Schafft die kommende Regierung das nicht, ist Österreich nicht nur zu hohen Strafzahlungen verpflichtet, sondern trägt weiterhin dazu bei, dass die Folgen der Klimakrise, wie Extremwetterereignisse und Hochwasser, immer drastischer werden.

Grund zur Hoffnung

Auch wenn es diese Analyse des Wahlergebnisses eingangs nahelegen mag: Für die österreichische Klimapolitik ist mit dem Wahlausgang noch nichts verloren. Entscheidend ist, welche Parteien künftig zu einer Koalition zusammenfinden. Und der Blick auf die möglichen Regierungskonstellationen gibt Grund zur Annahme, dass Österreich seinen internationalen Verpflichtungen gerecht werden kann.

Beim KONTEXT Institut für Klimafragen haben wir anlässlich der Nationalratswahl in einer Studie erhoben, welche Klimapolitik von welcher Koalition zu erwarten ist. Dafür wurden die Einstellungen der Parteien im Nationalrat zu sechs zentralen klimapolitischen Themen anhand ihrer Wahlprogramme und öffentlicher Aussagen untersucht, um daraus Ableitungen für rechnerisch mögliche Regierungskonstellationen zu treffen.

Das Ergebnis: Bei einer FPÖ-ÖVP-Koalition scheint in den analysierten Themenfeldern tatsächlich ein Stillstand oder Rückschritt in der Klimapolitik wahrscheinlich. Die möglichen Dreierkoalitionen von ÖVP und SPÖ mit NEOS oder GRÜNEN bieten hingegen Potenzial für die notwendigen Weichenstellungen.

Einschätzung: Wie verschiedene Koalitionen Klimamaßnahmen umsetzen würden

Dreierkoalition vielversprechender als Große Koalition

In einer Koalition von FPÖ oder ÖVP wäre die Festlegung von verbindlichen Zielen zur Erreichung von Österreichs Klimaneutralität höchst unwahrscheinlich, da sich keine der Parteien zu verpflichtenden nationalen Emissionspfaden bekennt. Erneuerbare Energien würden voraussichtlich weiter ausgebaut werden, jedoch ohne hohe Priorität.

Gleichzeitig wären importiertes Öl und russisches Gas weiterhin Teil des Energie-Mixes, denn keine der beiden Parteien hat sich das Ziel gesetzt, davon unabhängig zu werden. Klimaschädliche Subventionen würden im Wesentlichen bestehen bleiben und potenziell sogar erhöht. Die Zukunft der nationalen CO₂-Bepreisung (inkl. Klimabonus) wäre ungewiss. Zudem sehen sowohl FPÖ als auch ÖVP in der Ökologisierung der Wirtschaft eher eine Gefahr als eine Chance für Österreich.

Bei den möglichen Dreierkoalitionen gibt es in der Studie aufgrund der unterschiedlichen Positionen mehr Ungewissheit. Was sich allerdings sagen lässt: Zusammen hätten die SPÖ und die NEOS oder die GRÜNEN ein größeres politisches Gewicht als die ÖVP. Daher ist jedenfalls zu erwarten, dass die Standpunkte, in denen SPÖ und NEOS bzw. GRÜNE übereinstimmten, in einer Dreierkoalition eher durchgesetzt werden als in einer ÖVP-SPÖ-Koalition.

Chance für das Erreichen der EU-Klimaziele lebt

Demnach sind ambitioniertere Maßnahmen für die Energiewende sowie den Netzausbau in einer Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS eher zu erwarten. Zudem wäre es wahrscheinlicher, dass die CO₂-Bepreisung weitergeführt werden würde, da dies eine Priorität der NEOS ist.

Im Vergleich dazu ist von einer Koalition aus ÖVP, SPÖ und GRÜNEN wohl ein stärkerer Fokus auf den Umbau der Industrie und die notwendige Elektrifizierung zu erwarten. Zudem würden sich die Grünen voraussichtlich stärker als die NEOS gegen weitere Förderungen von E-Fuels im Individualverkehr einsetzen. Dadurch könnte die Verkehrswende in der Koalition effizienter ablaufen.

Die Studie zeigt: Unter den aktuell möglichen und diskutierten Varianten bieten die Drei-Parteien-Koalitionen am ehesten die Chance für das Erreichen der EU-Klimaziele. Eine Garantie für eine wirksame Klimapolitik ist das freilich nicht. Schließlich braucht es dafür eine Vielzahl an Maßnahmen, die in allen Sektoren und Bereichen mitgedacht werden müssen.

ÖVP hat es in der Hand

Im August hat die scheidende Regierung den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) vorgelegt. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes wäre es damit zum ersten Mal möglich, die Emissionen bis 2030 um 48 Prozent zu reduzieren und somit das EU-Ziel zu erreichen.

Alles andere wäre nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich fatal, denn global ist die Ökologisierung bereits in vollem Gange: in der USA wird massiv Geld in Zukunftstechnologien investiert und China verdrängt bereits jetzt mit PV-Anlagen und E-Autos Mitbewerber aus dem Markt. Die EU-Klimapolitik mit dem Green Deal und dem Fokus auf Industrietransformation ist eine Antwort darauf.

Ob Österreich seine Wettbewerbsfähigkeit dementsprechend stärken kann oder zurückfällt, hängt davon ab, wie ambitioniert der Umbau nun vorangetrieben wird. Gelingt es, die erforderlichen politischen Maßnahmen umzusetzen, birgt das enorme Chancen – nicht nur für das Erreichen der Klimaziele, sondern auch für Wohlstand, Arbeitsplätze und Sicherheit.

Anders als es das Ergebnis der Nationalratswahl nahelegt, entscheidet nicht die erst-, sondern die zweitplatzierte Partei über den klimapolitischen Erfolg Österreichs. Die ÖVP positioniert sich – auch das zeigt die KONTEXT-Studie – alles andere als ambitioniert in der Klimapolitik. Würde die ÖVP jedoch die Ökologisierung der Wirtschaft als Wettbewerbsvorteil erkennen, könnte eine Regierung in einer Dreierkonstellationen sogar wichtige Reformen anstoßen. Die Chance, die EU-Klimaziele zu erreichen, lebt jedenfalls. Die nächste Regierung sollte sie nutzen, denn sie wird die letzte sein, die das kann.

Mehr zum Thema

swiper-icon-prev
swiper-icon-next
Kommentar Klimapolitik Wirtschaft

Raus aus dem Klimaschutz, rein in den Wirtschaftsboom?

Die Klimapolitik wird die USA nicht länger von neuem Ölreichtum abhalten, sagt Donald Trump. Er wird dieses Versprechen nicht halten können. Warum das so ist, erklärt Klima-Expertin Katharina Rogenhofer.

28.01.2025

Kommentar Klimapolitik Wirtschaft Erneuerbare Energie

Trump Amtsantritt: Hoffnung für Klimaschutz kommt aus den Bundesstaaten

In der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident sind Rückschritte in der Klimapolitik zu erwarten. Aber Klimapolitik wird nicht nur auf nationaler Ebene gemacht, sondern auch darunter. Das gilt auch für Österreich.

17.01.2025

Klimapolitik Wirtschaft

Analyse zu den Klima-Sparplänen einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung

Die Verhandler von FPÖ und ÖVP haben ihre Klima-Sparpläne in einer möglichen Koalition präsentiert. Einige der Maßnahmen sind nachvollziehbar, andere bringen Rückschritte im Klimaschutz. Eine Einordnung.

16.01.2025

Kommentar Klimapolitik Wirtschaft

Wer den Klimaschutz abdreht, schadet der Wirtschaft

FPÖ und ÖVP haben Koalitionsgespräche aufgenommen. Beide versprechen Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand. Die Ökologisierung der Wirtschaft ist die Voraussetzung dafür, diese Versprechen einzulösen, sagt Expertin Katharina Rogenhofer.

16.01.2025

Artikel Klimapolitik EU

Effektive Anpassung an die Klimakrise: Kosten und Chancen

Das Hochwasser 2024 hat neuerlich gezeigt: Investitionen in Klimaanpassung in Form von Hochwasserschutz lohnen sich. Das gilt speziell auch für Renaturierungsmaßnahmen.

14.12.2024

Analyse Klimapolitik Klimaschädliche Subventionen Mobilität

So geht die Ökologisierung des Dienstwagenprivilegs

Während die Regierungsverhandlungen in vollem Gange sind, präsentiert KONTEXT einen weiteren konkreten Vorschlag zur Ökologisierung einer klimaschädlichen Subvention: des Dienstwagenprivilegs.

10.12.2024

Analyse Klimaschädliche Subventionen Mobilität Klimapolitik

So geht die Reform der klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor

Die nächste Regierung kann bei Pendlerförderung, Dieselprotektionismus und Dienstwagenprivileg jährlich 1,04 Milliarden Euro sparen.

10.12.2024

Kommentar Klimapolitik Wirtschaft

5 Ideen: Das kann Österreichs Wirtschaft aus der Krise führen

Die Wirtschaft strauchelt – doch die Lösung liegt auf der Hand: Erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien könnten Jobs sichern und den Wohlstand bewahren. Klimaexpertin Katharina Rogenhofer zeigt auf, wie das geht.

05.12.2024