Dreierkoalition vielversprechender als Große Koalition
In einer Koalition von FPÖ oder ÖVP wäre die Festlegung von verbindlichen Zielen zur Erreichung von Österreichs Klimaneutralität höchst unwahrscheinlich, da sich keine der Parteien zu verpflichtenden nationalen Emissionspfaden bekennt. Erneuerbare Energien würden voraussichtlich weiter ausgebaut werden, jedoch ohne hohe Priorität.
Gleichzeitig wären importiertes Öl und russisches Gas weiterhin Teil des Energie-Mixes, denn keine der beiden Parteien hat sich das Ziel gesetzt, davon unabhängig zu werden. Klimaschädliche Subventionen würden im Wesentlichen bestehen bleiben und potenziell sogar erhöht. Die Zukunft der nationalen CO₂-Bepreisung (inkl. Klimabonus) wäre ungewiss. Zudem sehen sowohl FPÖ als auch ÖVP in der Ökologisierung der Wirtschaft eher eine Gefahr als eine Chance für Österreich.
Bei den möglichen Dreierkoalitionen gibt es in der Studie aufgrund der unterschiedlichen Positionen mehr Ungewissheit. Was sich allerdings sagen lässt: Zusammen hätten die SPÖ und die NEOS oder die GRÜNEN ein größeres politisches Gewicht als die ÖVP. Daher ist jedenfalls zu erwarten, dass die Standpunkte, in denen SPÖ und NEOS bzw. GRÜNE übereinstimmten, in einer Dreierkoalition eher durchgesetzt werden als in einer ÖVP-SPÖ-Koalition.
Chance für das Erreichen der EU-Klimaziele lebt
Demnach sind ambitioniertere Maßnahmen für die Energiewende sowie den Netzausbau in einer Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS eher zu erwarten. Zudem wäre es wahrscheinlicher, dass die CO₂-Bepreisung weitergeführt werden würde, da dies eine Priorität der NEOS ist.
Im Vergleich dazu ist von einer Koalition aus ÖVP, SPÖ und GRÜNEN wohl ein stärkerer Fokus auf den Umbau der Industrie und die notwendige Elektrifizierung zu erwarten. Zudem würden sich die Grünen voraussichtlich stärker als die NEOS gegen weitere Förderungen von E-Fuels im Individualverkehr einsetzen. Dadurch könnte die Verkehrswende in der Koalition effizienter ablaufen.
Die Studie zeigt: Unter den aktuell möglichen und diskutierten Varianten bieten die Drei-Parteien-Koalitionen am ehesten die Chance für das Erreichen der EU-Klimaziele. Eine Garantie für eine wirksame Klimapolitik ist das freilich nicht. Schließlich braucht es dafür eine Vielzahl an Maßnahmen, die in allen Sektoren und Bereichen mitgedacht werden müssen.
ÖVP hat es in der Hand
Im August hat die scheidende Regierung den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) vorgelegt. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes wäre es damit zum ersten Mal möglich, die Emissionen bis 2030 um 48 Prozent zu reduzieren und somit das EU-Ziel zu erreichen.
Alles andere wäre nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich fatal, denn global ist die Ökologisierung bereits in vollem Gange: in der USA wird massiv Geld in Zukunftstechnologien investiert und China verdrängt bereits jetzt mit PV-Anlagen und E-Autos Mitbewerber aus dem Markt. Die EU-Klimapolitik mit dem Green Deal und dem Fokus auf Industrietransformation ist eine Antwort darauf.
Ob Österreich seine Wettbewerbsfähigkeit dementsprechend stärken kann oder zurückfällt, hängt davon ab, wie ambitioniert der Umbau nun vorangetrieben wird. Gelingt es, die erforderlichen politischen Maßnahmen umzusetzen, birgt das enorme Chancen – nicht nur für das Erreichen der Klimaziele, sondern auch für Wohlstand, Arbeitsplätze und Sicherheit.
Anders als es das Ergebnis der Nationalratswahl nahelegt, entscheidet nicht die erst-, sondern die zweitplatzierte Partei über den klimapolitischen Erfolg Österreichs. Die ÖVP positioniert sich – auch das zeigt die KONTEXT-Studie – alles andere als ambitioniert in der Klimapolitik. Würde die ÖVP jedoch die Ökologisierung der Wirtschaft als Wettbewerbsvorteil erkennen, könnte eine Regierung in einer Dreierkonstellationen sogar wichtige Reformen anstoßen. Die Chance, die EU-Klimaziele zu erreichen, lebt jedenfalls. Die nächste Regierung sollte sie nutzen, denn sie wird die letzte sein, die das kann.