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Klima-Vorsätze: Damit wir nicht jedes Jahr Keller auspumpen

Kommentar Klimapolitik Klimafolgen
Mittwoch, 18.12.2024
Warum uns das Hochwasser 2024 eine Warnung sein muss. Welche drei Herausforderungen auf die neue Regierung warten. Und wie sich mit der Abschaffung von Subventionen über 1 Milliarde Euro einsparen lässt. Expertin Katharina Rogenhofer hat Pläne.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at

2024 hat gezeigt, wie nah die Klimakrise ist – und wie weit Worte und Taten auseinanderliegen. Während Wetterextreme wie Rekordhitze und Überflutungen die Dringlichkeit verdeutlichen, wird an notwendigen Maßnahmen gerüttelt. 2025 muss das Jahr werden, in dem "wir stehen hinter den Klimazielen" mit Leben erfüllt wird.

Das Jahr 2024 wird in die Geschichte eingehen: als das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, als Symbol für die fortschreitende Klimakrise – und als Mahnung, wie dringlich konsequentes Handeln geworden ist. Mit 1,54 °C über dem vorindustriellen Niveau wird die Erderhitzung greifbarer denn je.

Katastrophen wie das dritte Jahrhunderthochwasser in Österreich innerhalb von 22 Jahren oder zerstörerische Überschwemmungen von Spanien bis Polen verdeutlichen, dass wir längst mitten in der Krise leben. Die wirtschaftlichen Schäden sind immens, die menschlichen Tragödien kaum bezifferbar.

Dennoch war 2024 kein Klimajahr, kein Jahr der Ökologisierung. International trübt die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten die Aussichten auf den notwendigen Fortschritt: seine Liebe zu Öl und Gas, sein möglicher Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und die Nominierung eines Fracking-Unternehmers und Klimakrisenleugner als Energieminister drohen globale Fortschritte zunichtezumachen.

Alle stehen hinter den Klimazielen

In der EU jedoch gibt es Grund zur Hoffnung: der Green Deal lieferte wichtige Fortschritte, der erwartete Rechtsruck ist ausgeblieben und Ursula von der Leyen ist weiterhin Kommissionspräsidentin. Gerade ihre eigene Partei sägt aber immer wieder heftig an den errungenen Fortschritten.

So hat die Europäische Volkspartei diese Woche ihre Forderung aus dem EU-Wahlkampf wiederholt, fossile Autos auch nach dem Jahr 2035 noch zuzulassen. Auch gegen das Renaturierungsgesetz lief sie damals Sturm. Gleichzeitig wird immer wieder versichert, man stehe hinter den Klimazielen.

Auch hierzulande wird an vielen klimapolitische Notwendigkeiten gerüttelt. Die Wirtschaftskammer gab der ÖVP für die Regierungsverhandlungen viele "No-Gos" mit, also Maßnahmen, die in der nächsten Regierung tabu sein sollten: der Ausstieg aus russischem Gas etwa, das Enddatum für Öl- und Gasheizungen im Bestand, der Rückbau des Gasnetzes für die Abfederung der Netzkosten und auch die Klimaneutralität 2040.

Spannenderweise sind die "No-Gos" genau einige jener zentralen Maßnahmen, die es braucht, wenn wir nicht jedes Jahr die Keller auspumpen wollen.

Auch die Wirtschaftskammer betont immer wieder, sie stehe hinter den Klimazielen. Den europäischen, nicht den österreichischen, wohlgemerkt. Würde ich zum Ende des Jahres also einen Unspruch des Jahres küren, wäre es wohl "Wir stehen hinter den Klimazielen". Wer das sagt, will oft im selben Atemzug davon abrücken.

Die Klimaziele erreichen sich nicht von selbst

Das Versprechen, die Klimaziele einhalten zu wollen, ist irgendwann zu einer Rechtfertigung dafür verkommen, klimapolitische Maßnahmen zurückzunehmen. Nur: Wie sollen die Klimaziele erreicht werden, wenn nicht in absehbarer Zeit die Energie-, Wärme- oder Verkehrswende realisiert wird?

Die scheidende türkis-grüne Regierung hat im Sommer in ihrem Nationalen Energie- und Klimaplan gezeigt, was notwendig wäre, um die Emissionen um 48 Prozent bis 2030 zu reduzieren. Aber auch hier blieb es vorerst nur bei Ankündigungen. Die Abschaffung oder Ökologisierung der klimaschädlichen Subventionen etwa soll bis 2030 jährlich zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vermeiden.

Welche Subventionen dabei wie konkret reformiert werden sollen, steht nicht im Plan. Und es war die Tinte am Plan noch nicht trocken, als die ÖVP bereits ankündigte, dass der Dieselprotektionismus und das Dienstwagenprivileg, also zwei der größten Subventionen, nicht angerührt werden dürfen.

Geld sparen und Wirtschaft beflügeln

Dabei ließe sich gerade durch diese Maßnahme das Budget sanieren. Die neueste KONTEXT-Studie zeigt, dass im emissionsstarken Verkehrssektor allein durch die Abschaffung von drei der größten klimaschädlichen Subventionen jährlich rund 1,04 Milliarden Euro eingespart und mindestens 764.000 Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr vermieden werden könnten.

Über die gesamte fünfjährige Legislaturperiode gerechnet würden das einen budgetären Spielraum von 5,2 Milliarden Euro schaffen und maßgeblich dazu beitragen, dass Österreich die EU-Klimaziele 2030 erreicht. In diesem Fall können zusätzlich Strafzahlungen in Milliardenhöhe vermieden werden.

Außerdem ließen sich mit der Ökologisierung der Wirtschaft neue Jobs schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen erhöhen. Das haben wir in einer Studie mit Cambridge Econometrics am Beispiel der europäischen Industrie gezeigt: jeder Euro, der in die Ökologisierung der Industrie gesteckt wird, generiert bis 2050 sein fünffaches an Wirtschaftsleistung. Zusätzlich werden 2,5 Millionen zusätzliche Jobs geschaffen.

Köpfe zusammenstecken und umsetzen

Auf die nächste Regierung warten drei große Herausforderungen: Sie muss die Klimaziele erreichen, den Staatshaushalt konsolidieren und die Wirtschaft aus der Krise führen.

Deshalb will ich, statt No-Gos, lieber Win-Wins anbieten: durch die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen kann die Regierung sparen und Emissionen reduzieren, durch den Ausstieg aus fossilen Heizungen und die Sanierung von Gebäuden unterstützt sie vor allem heimische Installateure, KMUs und die Bauwirtschaft.

Der Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen und Speichern macht uns unabhängig von Russland und reduziert die Energiepreise langfristig. Die Elektrifizierung der Industrie und Investitionen in Zukunftstechnologien bringt einen Wettbewerbsvorteil.

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Um diese Win-Wins auf den Boden zu bringen, braucht die nächste Regierung, neben dem Willen zur Umsetzung, auch die Unterstützung von Klima- und Wirtschaftsinstituten, Unternehmen und Interessensvertretungen.

In Ansätzen passiert das bereits. Auch in der Wirtschaftskammer gibt es viele Mitgliedsunternehmen und Funktionär:innen, die in der Ökologisierung der Wirtschaft eine große Chance sehen.

Meine Hoffnung für das neue Jahr ist, dass genau diese Menschen mehr Gehör finden, wir vermeintliche Gegensätze überwinden und stattdessen die Köpfe zusammenstecken und das Notwendige tun, um die Klimaziele zu erreichen und die Gesellschaft und Wirtschaft in Österreich voranzubringen.

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