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Klima: 80 Prozent fühlen sich vor Wahlen falsch informiert

Kommentar Klimapolitik Klimadebatte
Mittwoch, 15.05.2024
Denken die Menschen längst weiter als die Politik? Eine neue Umfrage legt das nahe, sagt Katharina Rogenhofer.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at

In knapp einem Monat steht Österreich vor einer wichtigen Entscheidung: die Wahl des neuen EU-Parlaments. Doch diese Wahl geht über die bloße politische Vertretung hinaus. Sie wird den Kurs für die heimische Energiezukunft maßgeblich beeinflussen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage im Auftrag des KONTEXT Instituts für Klimafragen* verdeutlicht die drängende Notwendigkeit, den Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas zu beschleunigen. Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung sieht dies als entscheidend an – gerade um die Sicherheit und Unabhängigkeit Europas zu gewährleisten.

Umfrageergebnisse sprechen klare Sprache

Mehr als zwei Drittel der Befragten empfinden den bisherigen Fortschritt beim Klimaschutz als zu langsam. Besonders erneuerbare Energien werden als Schlüssel zur Unabhängigkeit Europas gesehen. Photovoltaikanalagen auf Dächern und Windräder zeigen die Möglichkeit auf, die notwendige Energie sauber vor Ort zu produzieren. Um unabhängig von Energieimporten zu werden, sehen deshalb über 80 Prozent der in Österreich lebenden Menschen es als zentrale Aufgabe der EU, den Ausbau dieser nachhaltigen Energiequellen rascher voranzutreiben.

Die Ergebnisse der Umfrage im Detail

  • Es ist für die Sicherheit und Unabhängigkeit in Europa wichtig, dass die EU den Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas beschleunigt: 68,1 Prozent stimmen zu
  • Die EU muss mehr erneuerbare Energien ausbauen, um unabhängig von Energieimporten zu werden: 82,4 Prozent stimmen zu
  • Sanieren von Gebäuden und nachhaltige Heizformen senken unsere Abhängigkeit von anderen Ländern und tragen maßgeblich zum Klimaschutz bei: 80,8 Prozent stimmen zu
  • Ich habe den Eindruck, dass gerade rund um Wahlen in der klimapolitischen Debatte viele Falschinformationen gestreut werden: 80,0 Prozent stimmen zu
  • Ich erwarte mir, dass sich österreichische VertreterInnen auf EU-Ebene stärker für Klimaschutz einsetzen: 71,4 Prozent stimmen zu

Die Umfrage wurde von marketagent durchgeführt, 1.000 Nettointerviews, Personen zwischen 14 und 75 Jahren, Feldarbeit zwischen 25. April und 2. Mai 2024. "Stimmen zu" heißt "stimme eher zu" oder "stimme ganz zu".

Geopolitik verstärkt Wunsch nach Unabhängigkeit

Die aktuellen geopolitischen Ereignisse haben die Brisanz dieser Maßnahmen noch einmal unterstrichen. Wir beziehen das meiste Öl aus Kasachstan und dem Irak, das meiste Gas aus Russland. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat verdeutlicht, wie abhängig Europa von unsicheren Regionen ist und hat uns die Auswirkungen dieser Abhängigkeit vor Augen geführt.

Dies betrifft nicht nur große Unternehmen, sondern auch jeden Haushalt. Die Preise sind enorm gestiegen und haben die Inflation angeheizt. Hinzu kommt, dass wir – je nach Jahr – rund zehn Milliarden Euro für den Import fossiler Brennstoffe ausgeben. Geld, das vor Ort besser investiert wäre und durch Heizkesseltausch und den Ausbau Erneuerbarer Energien besonders kleinen und mittleren Betrieben in Österreich zugutekommen würde.

Auch die österreichische Bevölkerung sieht es deshalb als unerlässlich, dass die EU und die nationale Politik konkrete Maßnahmen ergreifen, um den Umbau zu einer nachhaltigen Energieversorgung voranzutreiben. Ein zentraler Aspekt dieses Umbaus ist die Sanierung von Gebäuden und der Wechsel nachhaltiger Heizformen. 80 Prozent der Befragten finden diese Maßnahmen notwendig, um die Abhängigkeit von anderen Ländern zu reduzieren.

Renaturierung fällt bedeutende Rolle zu

Doch trotz des klaren Auftrags der Bevölkerung, haben 80 Prozent der Befragten den Eindruck, dass gerade rund um die Wahlen in der klimapolitischen Debatte viel Falschinformation gestreut wird. Und das ist tatsächlich ein Problem, wie wir in unterschiedlichen Debatten rund um europapolitische Themen sehen. Ein Beispiel ist das Renaturierungsgesetz, das eine Wiederherstellung von zerstörten Ökosystemen ermöglicht und gerade Moore schützen sollen, die durch ihre Fähigkeit CO2 aus der Luft zu binden zu besonderen Mitstreitern im Kampf gegen die Klimakrise werden.

Eben dieses Gesetz wird von den Landeshauptleuten verhindert und die Gründe beziehen sich teilweise auf veraltete Gesetzestexte, oder sind schlicht an den Haaren herbeigezogen. Auch die Verbrenner-Debatte flammt rund um den EU-Spitzenkandidaten der ÖVP, Reinhold Lopatka, wieder auf. Er setze sich besonders für Verbrennungsmotoren ein, E-Fuels sieht er als Lösung. Warum sie es nicht sind, habe ich bereits in einer früheren Kolumne diskutiert.

Mit solchen Trugbildern wird jedenfalls konkreter Fortschritt gebremst – auf Kosten der Sicherheit unserer Energieversorgung. In der Verantwortung sehen die Befragten vor allem Politiker:innen: Mehr als 7 von 10 Menschen in Österreich erwarten, dass sich österreichische Vertreter:innen auf EU-Ebene stärker für Klimaschutz einsetzen.

EU-Wahl ist von entscheidender Bedeutung

Es ist an der Zeit für konkrete Maßnahmen, um Europas Sicherheit und Unabhängigkeit langfristig zu gewährleisten. Dazu muss die EU den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigen und den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Die Ökologisierung der Wirtschaft bietet zudem enorme wirtschaftliche Chancen und schafft Arbeitsplätze in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und grüne Technologien.

Indem wir also konsequent auf erneuerbare Energien setzen und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigen, können wir nicht nur die Klimakrise eindämmen, sondern auch die Sicherheit und Unabhängigkeit in der EU langfristig garantieren. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass in Österreich lebende Menschen von der Politik erwarten, dieses Potential zu heben.

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