Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
Der Aufschwung der Klimabewegung machte die Klimakrise zu einem der wahlentscheidenden Themen bei der vergangenen EU-Wahl 2019. Ein umfassendes klimapolitisches Programm wäre davor undenkbar gewesen. Mit dem Green Deal wollte die EU-Kommission jedoch eine Antwort auf den Vorwurf der schwammigen Klimaziele ohne klare Rahmenbedingungen liefern. Er soll einerseits sicherstellen, dass die Europäische Union Klimaneutralität bis 2050 erreicht, und andererseits den Umbau zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft ermöglichen.
Das Kernstück des Green Deal bildet das Europäische Klimagesetz. Es setzt das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, rechtlich verbindlich fest. Daneben umfasst der Green Deal eine große Anzahl weiterer Rechtsakte. "Fit for 55" ist das zentrale und umfangreichste Paket. Es soll die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 sicherstellen.
Dieses Ziel wird dann auf drei Regelungsbereiche heruntergebrochen:
Das Emissionshandelssystem, die Lastenteilung und die LULUCF-Verordnung legen direkt Emissionsziele fest. Weitere Rechtsakte im Bereich Energie und Verkehr schaffen den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung.
Neben "Fit for 55" gibt es weitere Pakete. Besondere Bedeutung kommt dem grünen Industrieplan zu, dessen Rahmenwerk darauf abzielt, mehr saubere Technologien in der EU zu produzieren und die Elektrifizierung voranzutreiben. Das Paket zur Kreislaufwirtschaft, das Wiederverwendung, Reparatur und Recycling fördert, zählt ebenso zu den flankierenden Vorhaben. Auch die Biodiversitätsstrategie 2030, die den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, zum Ziel hat, zählt dazu.
Während ein Großteil der Rechtsakte des Green Deals bereits beschlossen wurden, müssen viele noch umgesetzt werden und die Wirkung wird sich erst in den kommenden Jahren entfalten. Während die Treibhausgasemissionen seit der Einführung des Green Deals erst um wenige Prozentpunkte abgenommen haben, zeigt sich bei den Berechnungen der künftigen Emissionen ein klarer Unterschied. Der Climate Action Tracker zeigt, dass sich die EU durch den Green Deal nun auf einem Pfad befindet, der mit Szenarien vereinbar ist, die den globalen Temperaturanstieg auf etwas über 2 °C begrenzen. Das stellt eine Verbesserung um mehr als 1°C im Vergleich zu den Prognosen vor dem Green Deal dar.
Während neue Gesetze und vor allem Maßnahmen notwendig sind, um die gesteckten Ziele und die Ökologisierung der Wirtschaft zu erreichen, wird in der politischen Debatte jedoch bereits über ein Zurückfahren des Fortschritts gesprochen. Dazu ist zu sagen: Die Ziele des Green Deals sind rechtlich verbindlich. Um die Ökologisierung zu stoppen, müssten das Klimagesetz und alle relevanten Rechtsakte aufgehoben oder geändert werden, was aufwendige bürokratische Prozesse erfordert. Dafür sind Entscheidungen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats notwendig. Die Aufhebung oder Änderung von bestehenden Gesetzen ist unüblich und politisch unwahrscheinlich: Im EU-Rat müssten mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen.
Es ist aber nicht nur bürokratisch aufwändig, den Green Deal zu stoppen: Unternehmen, Investoren sowie Gemeinden und Länder, die ihre Planung an die Klimapolitik angepasst haben, würden vor großen Unsicherheiten stehen. Investitionen in nachhaltige Technologien und Infrastrukturen könnten an Wert verlieren, was die Marktstabilität erheblich beeinträchtigen würde. Neue Investitionen wären gefährdet. Außerdem wäre ein Vertrauensverlust in die Stabilität und Vorhersehbarkeit der EU-Politik wäre zu befürchten, was negative Auswirkungen auf internationale Kooperationen und Handelsbeziehungen hätte. Vertrauensschutz ist in der österreichischen Verfassung sowie im EU-Rechtssystem verankert.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte leitete im April aus Artikel 8 der Europäischen Grundrechtecharta außerdem ein Grundrecht auf Klimaschutz ab. Eine Aufweichung der europäischen Klimapolitik ist nach diesem Urteil sehr unwahrscheinlich.
Die bestehenden Gesetze des Green Deals werden vermutlich nicht abgeschwächt werden, wie es sich rechtspopulistische Parteien wünschen. Dennoch steht Europa vor einer wichtigen Weichenstellung: wird der Green Deal jetzt nur mehr pro forma umgesetzt, oder wirklich ambitioniert weiter gestaltet? Letzteres ist notwendig, um die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Denn das muss in jedem Fall passieren – je schneller und ambitionierter, desto wirksamer.
Nicht nur um die katastrophalen Folgen der Erderhitzung möglichst zu begrenzen, sondern auch um den Wohlstand im Europa der Zukunft zu sichern. Denn: Die globale technologische Weiterentwicklung schreitet schnell voran. Europa braucht Maßnahmen, die uns aus der fossilen Sackgasse führen und sicherstellen, dass wir nicht zum Schrottplatz der Welt werden. Der Green Deal bietet ein europaweites Grundgerüst dafür. Ob er seinen angedachten Zweck hinreichend erfüllen kann, wird sich mit der EU-Wahl zeigen.