Warum 2030 mit den Klimaversprechen abgerechnet wird

Kommentar Klimapolitik EU
Donnerstag, 12.09.2024
Viele Klimaschutzpläne messen ihr Gelingen am Jahr 2030. Was muss bis dahin passieren? Wo stehen wir? Und was hat Österreichs Nationalratswahl damit zu tun? Katharina Rogenhofer zum Jahr der Abrechnung.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at

2030 scheint noch weit entfernt. Und doch beginnt das neue Jahrzehnt schon in fünf Jahren. Bis dahin sind viele Ziele festgelegt – im internationalen Klimaabkommen von Paris, im Green Deal der EU, in den Emissionsreduktionspläne von USA und Kanada: Wohin man auch blickt, ist das Jahr 2030 eine Art Zäsur in der Klimapolitik.

Zurück in die Gegenwart: 2024 ist ein Jahr der Weichenstellung – international wie in Österreich. Der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA wird massive Auswirkungen auf den globalen Umweltschutz haben. Auch Österreich wählt im Herbst eine neue Regierung – die (voraussichtlich) letzte, die unsere Klimabilanz 2030 noch beeinflussen kann. Sie hat also große Verantwortung.

Warum ist 2030 so ein wichtiges Jahr?

Am Jahr 2030 werden – als Zwischenschritt zur Klimaneutralität – national wie international Klimaschutzziele festgemacht und gemessen. Das Jahr dient als Bilanzjahr der bisherigen Fortschritte und ist Gradmesser für das Erreichen der Klimaneutralität.

Die wichtigsten Vorhaben im Überblick

  • Die Weltgemeinschaft Auf globaler Ebene haben 197 Länder mit dem Pariser Klimaschutzabkommen eine gemeinsame Zielsetzung getroffen: Der Ausstoß von Treibhausgasen muss bis 2030 fast halbiert werden.
  • Die Europäische Union Das Maßnahmenpaket der EU, um dieses Ziel zu erreichen, heißt "Fit for 55". Was es genau umfasst, habe ich bereits hier zusammengefasst. Ziel ist es, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Die Richtlinien und Verordnungen, die das Paket beinhaltet, sind der wichtigsten Weichenstellungen der EU, um bis 2050 klimaneutral zu werden.
  • Deutschland Hier sieht das neue Klimaschutzgesetz vor, dass die Treibhausgasemissionen des Landes bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 2005 zurückgehen müssen. Österreich soll eine Reduktion um 48% schaffen.
  • USA und Kanada Auch mit Blick nach Nordamerika zeigt sich die Relevanz des Jahres 2030: Joe Biden verspricht im Rahmen seiner Climate Agenda eine Reduktion von 50 bis 52 Prozent im Vergleich zu 2005. Kanada hat sich in seinem "Emission Reduction Plan" 40 bis 45 Prozent vorgenommen.

Wie macht sich Österreich?

Seit dem Jahr 1990 ist in Österreich diesbezüglich nicht viel weitergegangen. Erst in den vergangenen zwei Jahren sind die Emissionen konstant um rund 6 Prozent gesunken. Der neue Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP), den die Bundesregierung im vorigen Monat nach Brüssel geschickt hat, ist der erste mit dem das Ziel für 2030 erreicht werden könnte, berechnete das Umweltbundesamt.

Die Krux daran: das Ziel erreichen wir nur, wenn auch alle Maßnahmen im Plan umgesetzt werden. Und da schieden sich schon nach dem Abschicken des Dokuments die Geister. Zwar verspricht das Finanzministerium im NEKP Förderungen abzuschaffen, die klimaschädliche Produkte und Verhalten begünstigen. Vielen Politiker:innen der ÖVP – inklusive dem Kanzler beim Sommergespräch des ORF – war allerdings wichtig zu betonen, dass es sich dabei nicht um Pendlerpauschale und Dieselprivileg handle. Die sollten auf jeden Fall bleiben. Da sie aber bei weitem die größten Förderungen darstellen, wird es spannend, wie die Ziele mit alternativen Maßnahmen erreicht werden sollen.

Was kann in fünf Jahren schon passieren?

Wie das Beispiel oben zeigt, kann in fünf Jahren einiges passieren. Wir sind von einem Klimaschutzschlusslicht der EU etwas aufgerückt und könnten uns in den nächsten fünf Jahren mit der richtigen Politik auf die Zielgerade bewegen.

Der europäische Green Deal zeigt ebenfalls, wie schnell durch verbindliche Gesetze Veränderung angestoßen werden kann. Allein durch die neue EU-Klimapolitik korrigierte der Climate Action Tracker seine Vorhersagen: der Green Deal verbessert die Prognosen des Temperaturanstiegs um mehr als 1°C.

Auch an großen Städten wie Wien und Paris sehen wir, dass politische Gestaltung durchaus schnell Veränderung bringen kann. Durch den massiven Ausbau von Fahrradwegen etwa, ist die Radwegnutzung in Paris innerhalb weniger Jahre um knapp 50 Prozent gestiegen. In Wien hat das gute öffentliche Verkehrsangebot bereits dazu geführt, dass mehr Personen ein Jahresticket für die Wiener Linien besitzen, als es Autos in Wien gibt.

Die Auswirkungen, die unser heutiges (Nicht-)Handeln auf das globale Klima hat, spüren wir zwar erst mit Verzögerung. Maßnahmen hingegen können und müssen schnell umgesetzt werden. In der Wirtschaft, im Verkehr und im Energiesektor – die Ökologisierung passiert jetzt. Ob sie beschleunigt oder gebremst wird, hängt auch am Ausgang der kommenden Nationalratswahl.

Worauf es jetzt ankommt

Es ist kein Geheimnis: Um die Klimakrise effektiv einzudämmen, müssen alle Regierungen der Welt in den nächsten fünf Jahre ordentlich an Geschwindigkeit zulegen und den Ausstoß von Treibhausgasen massiv zurückschrauben. Nachdem viele Länder, inklusive Österreich, die notwendige Veränderung Jahrzehnte vor sich hergeschoben haben, gilt es jetzt, umso schneller in die Umsetzung zu kommen.

Ob erneuerbare Energien, Radwege oder öffentliche Verkehrsmittel auszubauen, einen Plan für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen festzulegen, die Ökologisierung der Industrie voranzutreiben oder klimaschädlicher Subventionen abzuschaffen: Die nächste österreichische Bundesregierung steht vor großen Aufgaben. Sie muss dafür sorgen, dass politische Versprechen eingehalten werden und der klimapolitische Kassasturz gelingt. Sonst drohen neben Strafzahlungen auch massive Nachteile für die Bevölkerung.

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