Pressemitteilung

Studie: Ökologisierung der Industrie stärkt Wirtschaftsleistung und Unabhängigkeit, senkt Energiebedarf und -preise

Donnerstag, 11.07.2024

Die Ökologisierung der Wirtschaft nimmt global Fahrt auf. Ein ambitionierter Umbau der europäischen Industrie sichert nicht nur eine lebenswerte Zukunft, sondern zahlt sich auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt aus. Das zeigt eine neue Studie von Cambridge Econometrics im Auftrag von KONTEXT – Institut für Klimafragen.

Modelliert wurden dazu für den Zeitraum 2022 bis 2050 zwei Szenarien und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt, sowie auf Energieverbrauch/-produktion, Energiepreise und Treibhausgasemissionen in der EU und Österreich: Das Business-As-Usual- bzw. BAU-Szenario stellt das Basisszenario dar, in dem alle klima- und energierelevanten Maßnahmen enthalten sind, die im Jahr 2022 beschlossen oder bereits umgesetzt wurden. Das Zukunftsfähige-Industriepolitik- bzw. ZIP-Szenario bildet eine deutlich ambitioniertere Ökologisierung der Industrie ab. Es enthält zusätzlich weitere Maßnahmen zur Dekarbonisierung, Energieeffizienz und einer verstärkten europäischen Produktion von Zukunftstechnologien und orientiert sich an den Zielen des Net Zero Industry Acts der EU.

Die Ergebnisse der Studie zeigen die enormen Vorteile einer ambitionierteren Ökologisierung der Industrie (ZIP-Szenario) im Vergleich zum Basisszenario (BAU):

  • Die Wirtschaftsleistung steigt durch zukunftsfähige Industriepolitik langfristig stärker. Im Jahr 2050 liegt das Bruttoinlandsprodukt in der EU und Österreich um 3,3 Prozent höher. Über den gesamten Modellzeitraum entstehen Zugewinne von 9.498 Milliarden Euro in der EU, sowie 250 Milliarden in Österreich (in 2022 Euro).
  • Investitionen in die Ökologisierung der europäischen Industrie lohnen sich. Jeder zusätzliche Euro, der in zukunftsfähige Industriepolitik investiert wird, bringt langfristig fünf Euro mehr an Wirtschaftsleistung in der EU.
  • Die Zugewinne verteilen sich auf fast alle Sektoren. Das höchste Plus verzeichnet die Produktion im technischen Bereich, etwa die Elektro-, Elektronik-, Motorindustrie oder der Maschinenbau. Der Output für dieser Industriezweige liegt im Jahr 2050 rund 928 Milliarden Euro höher als im Basisszenario.
  • Die Importabhängigkeit sinkt, die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Über den gesamten Modellzeitraum fallen in der EU im produzierenden technischen Bereich 2.750 Milliarden Euro weniger Importe an, über alle Sektoren hinweg sind es 956 Milliarden Euro weniger.
  • Zukunftsfähige Industriepolitik schafft Arbeitsplätze. Bis zum Jahr 2050 entstehen in der EU 2,5 Millionen mehr Arbeitsplätze, in Österreich 44.000 – der Großteil davon in der technischen Produktion und im Dienstleistungsbereich.
  • Der Anteil erneuerbarer Energie steigt, Strompreise und Energiebedarf sinken. Der höhere Einsatz erneuerbarer Energien und die verstärkte Elektrifizierung führen bis 2050 zu einem 29 Prozent niedrigeren Primärenergieverbrauch und um 16 Prozent niedrigeren Strompreisen.

Positive Effekte nehmen langfristig zu

Besonders auffällig ist der langfristig positive Effekt, insbesondere bei der Wirtschaftsleistung. Während der Unterschied im Bruttoinlandsprodukt zwischen den beiden Szenarien 2030 noch bei nur 0,4 Prozent liegt, steigt er bis zum Jahr 2050 in der EU auf 3,3 Prozent an, was allein in diesem Jahr einem Plus von 767 Milliarden Euro entspricht. In Österreich sind es 23 Milliarden. „Zusätzliche Maßnahmen, welche die Produktion von Schlüsseltechnologien in Europa fördern und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen begünstigen, bringen Österreich und der EU langfristig strukturelle Zugewinne. Je ambitioniert dieser Umbau fortgeführt wird, desto größer die Chancen, die daraus entstehen“, ordnet Anna Pixer, Analystin bei KONTEXT, die Studienergebnisse ein.

Klare Rahmenbedingungen und Maßnahmen erforderlich

Zusätzlich zu Subventionen für erneuerbare Energieträger und Investitionen in den Auf- und Ausbau der Produktion von Zukunftsindustrien, sieht das ZIP-Szenario in der Studie auch klare Leitplanken wie einen Kohleausstieg ab 2023 und Gasausstieg ab 2030 vor, sowie einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Heizsystemen und Verbrennermotoren und den Ausbau von Wärmepumpen. „Neben öffentlichen und privaten Investitionen braucht es Planungssicherheit genau dafür. Das heißt, verbindliche Aus- und Umstiegspläne aus fossiler Energie, um die Stop-And-Go-Politik vollständig zu beenden und Technologieklarheit. Wir kennen die marktreifen Technologien, die die Zukunft prägen. Diese Klarheit ist notwendig, um Fehlallokationen von Ressourcen und stranded Investments zu vermeiden. Wasserstoff in der Heizung und e-Fuels im Auto sind Trugbilder“, erklärt Florian Maringer, als Vorstand von KONTEXT zuständig für Analyse und Strategie. Der Ausbau erneuerbarer Energiequellen und die Elektrifizierung sind deshalb Schlüsselelemente der Ökologisierung. Um hier in Österreich die Gänge zu kommen sind mehr qualifiziertes Personal für effiziente Genehmigungsverfahren, verbindliche Flächenzonierungen in allen Bundesländern und der Ausbau der Netzinfrastruktur notwendig. Um das daraus entstehende Potenzial für den Arbeitsmarkt voll auszuschöpfen, bedarf es gezielter Aus- und Weiterbildungsoffensiven.

Durchgeführt wurde die von KONTEXT beauftragte Studie vom internationalen Forschungsinstitut Cambridge Econometrics. Studienautor János Hidi zur Modellierung:

“Our Analysis with the E3ME Model shows that ambitious industrial policy and decarbonization measures hold a significant potential for both the Austrian and European economy. We show this by implementing a more ambitious set of industrial policies that set a strong focus on the production of key technologies in the EU, such as investments to build EU-based industries, public-private financing for those investments, renewable energy subsidies, increasing the deployment rate of heat pumps or the phase-out of sales of new internal combustion engines, all in line with relevant decarbonization policies. The results show that focusing on green industrial policies in the EU has positive long-term effects on economic output and employment compared to the business-as-usual scenario.”