Die bevorstehende EU-Wahl wird richtungsweisend für Wohlstand und Sicherheit in Europa. Mit dem Green Deal setzte die Europäische Union zwar den Startschuss für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Wirtschaft und die Eindämmung der Treibhausgasemissionen. Ob sie mit den Maßnahmen zur Transformation in anderen Weltregionen mithalten kann, wird sich jedoch erst in den kommenden Jahren zeigen. Eine neue Analyse des KONTEXT Instituts für Klimafragen erörtert, an welchen Stellschrauben dafür gedreht werden sollte.
Für die globale Wirtschaft bricht derzeit ein neues Zeitalter der Industrialisierung an. Sie zeichnet sich durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und eine breitflächige Elektrifizierung von Prozessen in allen Sektoren aus. „Im Vordergrund dieser Ökologisierung steht, von fossilen Energieträgern abzukommen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben der Reduktion von Treibhausgasen geht es um Fragen der Kosten, Sicherheit und Effizienz. Inwieweit Europa seine Wettbewerbsfähigkeit stärken kann, hängt daher maßgeblich davon ab, wie schnell dieser Trend weiter vorangetrieben wird“, erklärt Florian Maringer, als Vorstand von KONTEXT für Analyse und Strategie zuständig.
Wettbewerbsnachteil und Sicherheitsrisiko durch Abhängigkeit von fossiler Energie
Vergangene Wellen der Industrialisierung in Europa basierten auf der Nutzung fossiler Energieträger. Diese Abhängigkeit befeuert nicht nur die Klimakrise, sondern birgt bis heute ökonomische sowie sicherheitspolitische Nachteile: Dass fossile Energien in Europa größtenteils importiert werden, führt zu hohen Energiepreisen und Kaufkraftabflüssen im Vergleich zu Ländern wie etwa den USA. So war Gas in Europa im Schnitt der Vorkrisenjahre (2011-2019) doppelt so teuer wie in den USA. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stieg der europäische Gaspreis im Schnitt der darauffolgenden Monate sogar auf das fünffache des amerikanischen an. Denn Preise für fossile Energieträger sind gerade für Europa nicht nur überproportional hoch, sondern auch volatil und hochsensibel gegenüber externen Schocks. Geopolitische Krisen, Kriege und andere unvorhersehbare Ereignisse können einen starken Einfluss auf ihr Preisniveau haben.
Eine Preissteigerung fossiler Energieträger hat wiederum gravierende Folgen für Produktions- und Verbraucherpreise. Die Verteuerung von Haushaltsenergie, Diesel und Benzin war 2022 allein für ein Drittel der historisch hohen Inflationsrate von 8,6 Prozent verantwortlich. Zusätzlich sind fossile Energieträger enorm ineffizient: Knapp drei Viertel der weltweit eingesetzten Primärenergie geht durch die Umwandlung in nutzbare Energie verloren. Bei der Stromerzeugung durch Öl, Kohle und Gas ist der Verlust besonders hoch. „Das ist gleichzeitig ineffizient und verursacht hohe Kosten. Überwinden wir die Abhängigkeit von fossiler Energie, überwinden wir auch die Wettbewerbsnachteile, die damit in Verbindung stehen. Auf globalen Märkten macht sich der ökologische Wandel in den letzten Jahren bereits bemerkbar. Es zeichnet sich ein globaler Wettlauf zwischen den größten Industrienationen ab. Ob die EU die Chancen nutzen kann, die sich daraus ergeben, wird die Wahl zeigen“, erklärt Maringer.
Dass die Ökologisierung bereits in vollem Gange ist, zeigen verschiedene Trends eindeutig: Investitionen in erneuerbare Energieträger nehmen zu. Im Jahr 2023 wurden global rund 1.770 Milliarden US-Dollar in die Energiewende investiert, 8-mal so viel wie noch vor 10 Jahren. Verkaufs- und Produktionszahlen von Zukunftstechnologien wie Elektroautos, Photovoltaik, Windkraftanlagen und Wärmepumpen steigen kontinuierlich. „Um diese Chancen der Ökologisierung für Wirtschaft, Arbeitsplätze und Umwelt zu nutzen, braucht es proaktive standort- und klimapolitische Maßnahmen, die den Umbau vorantreiben“, empfiehlt Katharina Rogenhofer, Vorständin und Sprecherin von KONTEXT. Konkret sollte der Ausbau von Stromnetzen und erneuerbaren Energieträgern sowie die Elektrifizierung verschiedenster Prozesse in allen Sektoren beschleunigt werden. „Zusätzlich zur Umstellung auf erneuerbare Energie und effizientere Technologien, ist es notwendig den Bedarf an Primärenergie insgesamt zu senken“, hält Rogenhofer abschließend fest.