Analyse: Wie das Ende für Autoabgase verschleppt wird und Europas Wettbewerbsfähigkeit darunter leidet
KONTEXT-Einordnung der aktuellen Debatte um das EU-Ziel, ab 2035 nur mehr emissionsfreie PKWs zuzulassen. Heute, Donnerstag, findet dazu in Berlin ein “Autogipfel” statt.
Die Debatte um das sogenannte „Verbrenner-Aus“ ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie wichtige politische Maßnahmen verschleppt werden – zum Schaden des Klimas und der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Das zeigt eine Einordnung des KONTEXT Instituts für Klimafragen.
Anders als vielfach dargestellt, werden mit dem diskutierten EU-Gesetz Verbrennungsmotoren nicht verboten – enden soll lediglich die Zulassung für Autos, die CO₂ ausstoßen. „Wer also das sogenannte „Verbrenner-Aus“ kippen will, setzt sich dafür ein, dass weiterhin mit Benzin und Diesel gefahren wird. Denn E-Fuels und Wasserstoff bleiben erlaubt, auch wenn sie im PKW-Bereich ineffizient, teuer und kaum verfügbar sein werden“, sagt KONTEXT-Vorständin Katharina Rogenhofer.
Verschleppungstaktiken schwächen Europas Wettbewerbsfähigkeit
Anstatt einen strategischen Fokus auf die technisch überlegene Technologie, den E-Autos, zu legen, werden mit Scheinlösungen (E-Fuels) und Desinformation („Verbrenner-Aus“) wichtige Maßnahmen zum Ausstieg aus Benzin und Diesel verzögert oder ganz verhindert. Die Folge: Mit der zögerlichen Politik droht Europas Industrie im Automarkt der Zukunft noch weiter an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen. Damit werden Arbeitsplätze und Wohlstand gefährdet.
Denn E-Autos sind Verbrenner-Autos technisch in vielfacher Weise überlegen. Sie sind am effizientesten im Einsatz und verursachen die geringsten Kosten im Betrieb. Die Anschaffungskosten sinken, die Reichweiten steigen und die Ladeinfrastruktur wird auch hierzulande immer besser. Gleichzeitig steigt der globale Absatz exponentiell.
“Die Frage ist nicht, ob Autos, die mit Diesel und Benzin betrieben werden, im breiten Gebrauch von unseren Straßen verschwinden werden, sondern nur wann es so weit sein wird. Die Frage ist auch nicht mehr, von welcher Technologie sie abgelöst werden, denn E-Autos sind weit überlegen, sondern nur wo diese in Zukunft weiterentwickelt und produziert wird“, sagt Rogenhofer.
Zukunft fährt elektrisch – auch ohne Europa
Hier fällt Europa immer weiter zurück. China war über viele Jahre der größte Exportmarkt für Autos aus Europa. Mittlerweile liegt dort der E-Auto-Anteil bei den Neuzulassungen bei über 50 Prozent. Die Autos dafür produziert China hauptsächlich selbst, was der Grund für den massiven Einbruch in der deutschen Automobilindustrie ist. In China wurden 2024 mehr als doppelt so viele E-Autos produziert als noch im Jahr 2021. In Europa stieg die Produktion im selben Zeitraum gerade einmal um 38 Prozent. Die politische Unklarheit in Europa, wo es hingeht, verschafft China einen klaren strategischen Marktvorteil.
Technologieklarheit sichert Wohlstand
In der EU wurden in diesem Jahr bereits wichtige Zwischenziele für die Emissionsreduktion von Autos aufgeweicht. In Österreich wurden Förderungen für E-Autos eingestellt und eine neue motorbezogene Versicherungssteuer eingeführt. Wenn Europa jetzt auch noch vom Ziel abrückt, dass Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein müssen, riskiert es, den technologischen Anschluss in einem stark wachsenden Markt vollends zu verlieren.
“Europa hat in den letzten 100 Jahren hinlänglich bewiesen, dass es hochqualitative Autos für die Welt bauen kann. Jetzt muss es zeigen, dass es auch die Zukunft der Mobilität gestalten kann. Die Voraussetzung dafür ist Technologieklarheit”, sagt Rogenhofer. “Nur so können Förderungen gezielt eingesetzt werden, damit die Nachfrage stimuliert, die Preise gesenkt und die Märkte durchdrungen werden. Das sichert die Zukunft der europäischen Autoindustrie und damit Wohlstand und viele Arbeitsplätze.”
Hintergrund
Im Jahr 2023 wurde in der Europäischen Union das Ziel gesetzlich verankert, dass ab dem Jahr 2035 keine CO₂-ausstoßenden Autos mehr zugelassen werden dürfen. Im September 2025 kündigte der Präsident der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, die Abkehr von diesem Ziel an. Unterstützung dafür kommt von ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, der u.a. in einem LinkedIn-Post schrieb, die EU wolle „ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zulassen – egal, ob sie mit Benzin, Diesel oder sogar mit CO₂-neutralen Kraftstoffen fahren.“ Das sei „ein Technologieverbot“. Im Einklang mit seiner deutschen Amtskollegin Katherina Reiche (CDU) forderte er jüngst in Berlin „Technologieoffenheit und Anerkennung von CO₂-neutralen Kraftstoffen“, als Beispiel genannt werden unter anderem E-Fuels.