Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
Trotz gegenteiliger Aussagen mancher Interessensvertreter, ist die Ökologisierung der Industrie und Wirtschaft nicht Belastung, sondern die einzige Chance weiterhin ein zukunftsfähiger Standort zu bleiben. Denn die Industrie siedelt sich dort an, wo Infrastruktur für erneuerbare Energien vorhanden ist.
Es geht immer wieder durch die Medien: Österreich rutscht in Industrie-Rankings als beliebter Standort ab. Von Interessensvertretungen werden oft hohe Steuern als Grund vorgeschoben. Doch sieht man sich die Rankings genauer an, kann man feststellen, dass das nicht der Hauptgrund sein dürfte, denn: Dänemark belegt immer Spitzenplätze und das mit Spitzensteuern. Aber was macht einen Standort sonst attraktiv?
Eine der Antworten: immer mehr Unternehmen siedeln sich dort an, wo es bereits Infrastruktur für eine verlässliche und effiziente Energieversorgung durch erneuerbare Energien gibt. Das heißt auch: wenn Österreich und Europa weiterhin attraktive Standorte sein wollen, ist es notwendig die Ökologisierung aktiv zu gestalten und die Chancen daraus nutzen. Sonst enden wir als Freilichtmuseum der Welt. Dann sind wir zwar womöglich Weltmarktführer bei Verbrennern, aber ebenso bedeutend, wie der Weltmarktführer in der Herstellung von Kutschen ist.
Was es auf der anderen Seite braucht, um den "grünen Sog" zu verstärken und den Standort Europa zukünftig zu sichern? Die kurze Antwort: klare Rahmenbedingungen und mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energieträger und der Elektrifizierung quasi aller Wirtschaftsbereiche. Nutzen wir die aktuelle globale Welle der Ökologisierung richtig, schaffen wir geopolitische und ökonomische Sicherheit für Europa und dämmen gleichzeitig die Folgen der Klimakrise ein.
Die globale Wirtschaft befindet sich gerade in einer neuen Industrialisierungswelle. Weltweit erleben wir einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien und die Elektrifizierung von Prozessen in allen Bereichen. Die technologische Veränderung, die damit einhergeht, markiert den Beginn einer neuen industriellen Revolution – der Ökologisierung.
Von fossilen Energieträgern wegzukommen ist dabei die Kernaufgabe. Die Gründe dafür sind vielfältig – Umweltverschmutzung, Kosten und Sicherheitsfragen. Dass die Ökologisierung bereits in vollem Gange ist, zeigen verschiedene Trends eindeutig: Investitionen in erneuerbare Energieträger nehmen zu. Im Jahr 2023 wurden global rund 1.770 Milliarden US-Dollar in die Energiewende investiert, achtmal so viel wie noch vor zehn Jahren. Auch die Verkaufszahlen von Zukunftstechnologien wie PV-Anlagen, Elektroautos, Windkraftanlagen und Wärmepumpen kontinuierlich. Besonders in den letzten Jahren wird der ökologische Umbau und dessen Folgen auf den globalen Märkten immer deutlicher.
Aber: Derzeit läuft die Weltwirtschaft noch vorwiegend mit Kohle, Öl und Gas – mit negativen Folgen, die weit über Umweltverschmutzung hinausgehen.
Ein Blick auf die bisherigen Phasen der Industrialisierung zeigt, wie Europa abhängig von Kohle, Gas und Öl und damit auch von anderen Regionen der Erde wurde: Seit der Erfindung der Dampfmaschine vor rund 250 Jahren hat sich unsere Lebensrealität grundlegend verändert. Diese erste Welle der Industrialisierung machte Energie unabhängig von menschlicher Arbeitskraft nutzbar und legte den Grundstein für weitere technologische Entwicklungen. Die folgende Mechanisierung und schließlich die Digitalisierung stellen weitere Industrialisierungswellen dar und haben die Produktionsweisen und die gesamte Wirtschaftsstruktur Schritt für Schritt revolutioniert.
Allen bisherigen Industrialisierungswellen ist eines gemeinsam: Sie führten zu einem massiven Anstieg des Energieverbrauchs, der überwiegend auf fossilen Energieträgern basierte.
Mehr als die Hälfte aller industriellen Prozesse in der EU werden nach wie vor durch fossile Energien angetrieben. Insgesamt stammen fast 70 Prozent der Energie in der EU aus fossilen Quellen. Dabei ist die Europäische Union stark von Importen aus Drittstaaten angewiesen: Im Jahr 2021 lag die Importabhängigkeit von Erdgas bei 83 Prozent, jene von Öl sogar bei 91 Prozent. Im Jahr 2021 kamen 83 Prozent der fossilen Energien aus Drittstaaten.
Dass fossile Energien in Europa größtenteils importiert werden, führt zu hohen Energiepreisen und Kaufkraftabflüssen im Vergleich zu Ländern wie etwa den USA. So war Gas in Europa im Schnitt der Vorkrisenjahre (2011-2019) mehr als doppelt so teuer wie in den USA. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stieg der europäische Gaspreis im Schnitt der darauffolgenden Monate sogar auf das fünffache des amerikanischen an. Denn Preise für fossile Energieträger sind gerade für Europa nicht nur überproportional hoch, sondern auch volatil und hochsensibel gegenüber externen Schocks. Geopolitische Krisen, Kriege und andere unvorhersehbare Ereignisse können einen starken Einfluss auf ihr Preisniveau haben.
Eine Preissteigerung fossiler Energieträger hat wiederum gravierende Folgen für Produktions- und Verbraucherpreise. Die Verteuerung von Haushaltsenergie, Diesel und Benzin war 2022 allein für ein Drittel der historisch hohen Inflationsrate von 8,6 Prozent verantwortlich.
Zusätzlich sind fossile Energieträger enorm ineffizient: Knapp drei Viertel der weltweit eingesetzten Primärenergie geht durch die Umwandlung in nutzbare Energie verloren. Bei der Stromerzeugung durch Öl, Kohle und Gas ist der Verlust besonders hoch. Energien aus erneuerbaren Energieträgern hingegen können mit weitaus geringeren Verlusten nutzbar gemacht werden.
Mit dem Green Deal hat Europa die ersten Schritte zur Ökologisierung gesetzt, doch der Weg ist weit. Wo stehen wir im globalen Vergleich? Im relativen Vergleich mit China und den USA führt Europa in der erneuerbaren Stromproduktion, das zeigen Daten der Internationalen Energieagentur. Die Geschwindigkeit aber lässt nach: Innerhalb von zehn Jahren (2021 vs. 2011) hat China seine erneuerbare Stromproduktion mehr als verdreifacht, in Europa ist sie im selben Zeitraum nur halb so stark angestiegen. Bei der Elektrifizierung aller Sektoren deckte China 2021 fast 30 Prozent seines Energieverbrauchs mit Strom ab, verglichen mit 21-22 Prozent in Europa und den USA. Hier gilt es, aufzuholen.
Die Transformation hin zu einer ökologischen industriellen Ära ist unumgänglich und hat bereits begonnen. Die aktuelle, strukturelle Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bringt nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und sicherheitspolitische Nachteile mit sich. Die Liste der Vorteile, wenn wir den Umbau beschleunigen, ist hingegen lang: Energieunabhängigkeit, Sicherheit, stabilere Preise, Wettbewerbsvorteile und natürlich eine Reduktion der Emissionen, sind nur ein paar. In Europa und in Österreich können wir uns nun entscheiden, ob wir die Vorteile und Chancen der Ökologisierung nutzen, oder lieber an veralteten Technologien festhalten wollen.