Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
Ausgerechnet Texas. Eine spontane Umfrage in Ihrem Büro oder Freundeskreis, welcher US-Bundesstaat der größte Produzent von erneuerbarer Energie ist, würde wohl für Kalifornien oder einen liberalen Neu England-Staat ausfallen. Die tatsächliche Antwort sorgt hingegen wohl für Erstaunen: es ist Texas.
Ausgerechnet Texas. Das Eldorado der Ölförderung und republikanische Hochburg seit vielen Jahrzehnten erlebte in den vergangenen Jahren einen massiven Aufschwung in der Windkraft und der Solarenergie. Mehr Sonnenstrom wird heute nur in Kalifornien produziert. Bei Windkraft ist Texas unter den US-Bundesstaaten bereits führend.
Die Gründe für diese Entwicklung sind in erster Linie wirtschaftlicher Natur. Für Landbesitzer:innen ergeben sich mit den Energieanlagen neue Einkommensmöglichkeiten. Konsument:innen profitieren von den günstigeren Energiepreisen.
Die politische Führung des Bundesstaats hat zu dieser Entwicklung in den letzten Jahren nur wenig beigetragen. Im Gegenteil: Die Administration des republikanischen Gouverneurs Georg Abbott versuchte mit neuen Regularien für Erneuerbare und Subventionen für die Fossilwirtschaft den Boom aktiv zu unterbinden. Er scheiterte mit nahezu allen Vorschlägen aber im texanischen Senat und Repräsentantenhaus - und das, obwohl seine Partei die Mehrheit in beiden Kammern hält.
In dieser Woche wählten die USA die künftige Regierungsspitze ihres Landes. Die führende Weltmacht und zweitgrößte Treibhausgasproduzentin der Erde (China ist hier führend) traf die Entscheidung, ob sie mit US-Präsidentin Kamala Harris und einem demokratisch geführten Kongress den eingeschlagenen Weg in Richtung Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts weitergehen wollte. Oder mit Präsident Donald Trump davon abkehrt.
Der Kontrast könnte nicht größer sein. Gerade mit Blick auf den globalen Kampf gegen die Klimakrise war diese Wahl eine fundamentale und klare Weichenstellung. Oder?
Das Beispiel Texas legt nahe, dass die Aussichten für die amerikanische Klima- und Energiepolitik gar nicht so eindeutig sind. Die USA sind immer für Überraschungen gut. Und die Wirtschaft scheint sich im Land der Freiheit nicht von der Politik dreinreden zu lassen.
Als Donald Trump während seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus im Jahr 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen ausstieg, veröffentlichte die US-Bank Morgan Stanley einen Bericht, der darlegte, dass die USA allein aufgrund der niedrigen Preise von erneuerbaren Energien die Klimaziele des Abkommens erreichen werde - ob Trump will oder nicht.
Gerade jetzt erleben die USA, was vielfach als "green technology revolution" bezeichnet wird. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden laut Regierungsangaben mehr als 330.000 neue Green Jobs geschaffen und über 265 Milliarden Dollar an Investitionen für grüne Technologien lukriert.
Auf der anderen, der schmutzigeren Seite der US-Energiepolitik, steht das "Fracking". Die gefährliche und umweltschädliche Förderung von Schiefergas hat weiterhin zentrale Bedeutung für Politik und Wirtschaft in den USA. Das wäre auch unter einer US-Präsidentin Harris so geblieben, wie sie selbst im Wahlkampf angekündigt hat.
War es also gar nicht so entscheidend, wie die US-Wahlen ausgegangen sind und wer die politischen Zügel in der Hand hält, weil ohnehin die Märkte die Richtung vorgeben?
Die Antwort lautet nein. Es war eine politische Entscheidung, die diese "Green technology revolution" losgetreten hat. Den zentralen Impetus dafür lieferte der Inflation Reduction Act (IRA), den Präsident Joe Biden im Jahr 2022 auf den Weg brachte.
Die Regierung nimmt darin rund 369 Milliarden Dollar für Steuerbegünstigungen und Investitionen in grüne Technologien in die Hand. Laut Goldman Sachs kann dieser Betrag mit privater Beteiligung auf ein Investitionsvolumen von einer Billion Dollar gehebelt werden. Geld, dass unter anderem in den Ausbau der erneuerbaren Energie, der Elektrifizierung der Industrie oder in die E-Mobilität fließt.
Der IRA und begleitende Maßnahmen schaffen einen gesetzlichen Rahmen, der Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit bietet und Investitionen in die richtige Richtung lenkt. Unter solchen Voraussetzungen werden auf wirtschaftlichem Wege Tatsachen geschaffen, die sich politisch nur mehr schwer zurückdrehen lassen.
Trumps Partei stimmte im August 2022 geschlossen gegen den IRA. Es fällt den Republikanern aber zunehmend schwerer, den Erfolg des Pakets zu ignorieren – auch deswegen, weil rund zwei Drittel aller Projekte, die in diesem Rahmen gefördert werden, in republikanisch dominierten Districts befinden.
So erheben sich zwischenzeitlich Stimmen innerhalb der Partei, die den IRA zumindest in Teilen auch in einer Präsidentschaft von Donald Trump und einem republikanisch dominierten Kongress fortführen wollen. So könnte es einem US-Präsidenten Trump ähnlich wie seinem Parteifreund in Texas ergehen, dessen politische Absichten von der wirtschaftlichen Realität überholt werden.
Übrigens: Auch der Boom der Erneuerbaren in Texas hat eine politische Vorgeschichte. Sie liegt nur etwas länger zurück: Ende der 1990er-Jahre erließ George W. Bush, noch vor seiner Präsidentschaft als texanischer Gouverneur, ein Dekret, dass die Zulassung von Windkraftanlagen erleichterte. Immer produktivere und effizientere Anlagen leiteten viele Jahre später einen Boom ein.
Auch in den USA zeigt sich, dass die Politik entscheidet und in der Verantwortung steht, die Ökologisierung der Wirtschaft voranzutreiben und zu gestalten. Und deswegen war die Wahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump um die Präsidentschaft und jene zwischen Demokraten und Republikanern um die Führung im Senat und Repräsentantenhaus sehr wohl entscheidend. Mit Blick auf den Kampf gegen die Klimakrise steht viel auf dem Spiel.
Bleiben die USA ihren internationalen Zusagen verpflichtet, setzen sie ihre Transformationspolitik weitere vier Jahre fort und verstärken diese vielleicht noch, werden Öl, Kohle und Gas schneller von Erneuerbaren abgelöst und auch künftige Regierungen werden diesen Trend nicht mehr einfach umkehren können. Zudem sind erst gut zwei Drittel der Mittel des IRA ausgeschöpft. Was mit dem übrigen Drittel passiert, entscheidet die nächste Administration.
Der Ausgang der Wahl hat aber auch Auswirkungen weit über die USA hinaus. Was passiert nun mit dem IRA, den Joe Biden losgetreten hat?
Die EU hat mit dem Net Zero Industry Act im Speziellen und dem Green Deal im Allgemeinen Pendants zum IRA, die diesem im Umfang keineswegs nachstehen. Im Rahmen des Green Deal nimmt die EU 578 Milliarden Euro aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen in die Hand mit dem Ziel, mittels privater Beteiligung auf ein Investitionsvolumen von einer Billion Euro zu kommen.
Die Wirtschaft kann ein enorm hilfreicher Katalysator für Klimaschutz sein. Aber die Politik muss die richtige Richtung vorgeben, die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen und auch finanzielle Impulse geben. Das gilt auch für die EU, in der demnächst eine neue Kommission ihr Amt antritt.
Und es gilt auch für Österreich, das am Beginn von Regierungsverhandlungen steht. Hinreichender Klimaschutz entsteht nicht von selbst. Das zeigt sich sehr eindrücklich am Beispiel der USA. Und jenem von Texas. Ausgerechnet Texas.