Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at.
In Österreich ändert sich die Debatte zu klimapolitischen Entwicklungen zunehmend, und zwar je größer die Aufmerksamkeit für Klimathemen in der Gesellschaft wird. Mittlerweile stehen nicht mehr die Existenz der Klimakrise oder klimawissenschaftliche Erkenntnisse im Mittelpunkt, sondern vielmehr konkrete Maßnahmen, Gesetze oder Ziele, um der Klimakrise entgegenzutreten.
Im Auftrag des KONTEXT Instituts für Klimafragen hat FORESIGHT das "Klimadiskurs-Monitoring 2023" durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass trotz des zunehmenden Bewusstseins für die Dringlichkeit von Klimaschutz in Österreich bestimmte Akteur:innen – häufig aus dem politischen Bereich – klimapolitische Maßnahmen verzögern.
Die Klimadebatte wird in Österreich vorrangig von Politiker:innen bestimmt. Und im Gegensatz zu zivilgesellschaftlichen Gruppen, die weitreichende Schritte fordern, wird von ihnen vor allem über die vermeintlichen Nachteile von Klimaschutz, wie wirtschaftliche und soziale Kosten, und Scheinlösungen gesprochen - Strategien, die den notwendigen Umbau der Wirtschaft und Klimaschutzmaßnehmen behindern. Diese Verzögerungstaktiken werden vorwiegend von Vertreter:innen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) benutzt.
Die einzigen Aussagen des Monitorings, die Klimaschutz leugnen, stammen von Politiker:innen der FPÖ. Christian Hafenecker gab in einem Interview mit Armin Wolf zu Klimaschutzmaßnahmen der FPÖ etwa die Antwort: "Alle paar Jahre finden wir einen Modus Operandi, um die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen." Er unterstellt damit, die Klimakrise wäre nur eine Erfindung und keine Realität, gegen die etwas unternommen werden sollte.
Die gute Nachricht: Generell zeigt die Analyse einen klaren Trend weg vom Leugnen der Klimakrise. Die schlechte: Notwendige politische Entscheidungen und Maßnahmen werden zunehmend angegriffen und verschleppt. Dabei variieren die Strategien: Politiker:innen verschleppen notwendige Maßnahmen und Entscheidungen vor allem dadurch, dass sie sich generell für weniger Klimaschutz aussprechen oder – deutlich subtiler – Scheinlösungen propagieren, die der Dringlichkeit und Dimension der Klimakrise schlicht nicht gerecht werden.
Unter Scheinlösungen fallen etwa Technologien, die noch nicht marktreif oder in der breiten Anwendung besonders ineffizient sind – wie E-Fuels im Auto oder Wasserstoff in der Heizung. Diese Techniktrugbilder verzögern dann den notwendigen Umbau der Mobilität und Wärmeversorgung mit nachhaltigen Alternativen.
E-Fuels können in manchen Bereichen der Industrie und im Schiffs- oder Flugverkehr durchaus Teil der Lösung sein. In der Öffentlichkeit werden sie aber als vermeintliche Lösung für den Individualverkehr beworben. Dabei herrscht wissenschaftlicher Konsens, dass E-Fuels in der Herstellung zu teuer, ineffizient und gleichzeitig in zu geringen Mengen verfügbar sein werden, um in der breiten Anwendung sinnvoll zu sein. Im Individualverkehr ist der Elektromotor die deutlich effizientere und billigere Antriebstechnologie, die im Gegensatz zu E-Fuels auch schon marktreif ist. Je länger also Technologieklarheit fehlt und sich Unternehmen und Menschen auf Techniktrugbilder wie E-Fuels verlassen, desto länger wird ein Umstieg hinausgezögert.
Heiß debattiert wurden 2023 vor allem die Themen Mobilität und Energie. Weit mehr als die Hälfte aller themenbezogenen Aussagen in der Analyse entfallen auf diese zwei besonders emissionsintensiven Bereiche, in denen die Abkehr von Öl, Kohle und Gas große Veränderungen erfordert. Kaum diskutiert wird in der österreichischen Klimadebatte das Thema Arbeitsmarkt, obwohl der Weg zur Klimaneutralität auch über strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt führt. Am politischen Spielfeld waren das Klimaschutzgesetz, der European Green Deal und das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz die Spitzenreiter der Debatte.
Auffällig ist, dass genau jene Themen und Politikmaßnahmen, die am meisten diskutiert werden, überproportional häufig verschleppt zu werden. Das legt nahe, dass gerade in jenen Bereichen, in denen der Druck für Veränderung zunimmt, der gegenwärtige Zustand umso vehementer verteidigt wird.
Das hat reale Konsequenzen: Trotz ambitionierter Gesetzesentwürfe können Verschleppungstaktiken dazu führen, dass Gesetze abgeschwächt, verschoben oder sogar verworfen werden. Scheinlösungen und Fehlinformationen dringen in den öffentlichen Diskurs ein und werden oft unhinterfragt übernommen. Das beeinflusst auch politische Entscheidungen: Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz wurde abgeschwächt und erlaubt langfristig weiterhin Gasheizungen in Bestandsgebäuden. Ein Enddatum für Verbrennermotoren auf EU-Ebene wurde zwar für 2035 festgelegt, aber nur mit einer Ausnahme für mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge. Dür diese wurde zuvor von verschiedenen Interessensvertretungen und politischen Parteien Stimmung gemacht.
Und ein nationales Klimaschutzgesetz wurden bis heute nicht beschlossen.
Aber was kann dagegen getan werden? Die Analyse unterstreicht, wie wichtig es ist, die positiven Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf Lebensqualität, Arbeitsplätze und Wohlstand hervorzuheben, um die Unterstützung der notwendigen Maßnahmen zu fördern. Nur vier Prozent der konstruktiven Aussagen in der Analyse, beschäftigen sich jedoch mit diesen Vorteilen. Ein verlorenes Feld.
Um generell gegen Verschleppungstaktiken anzukommen, müssen sie auch als solche benannt und entkräftet werden. Dafür ist es notwendig, hervorzuheben, was die tatsächlich wirksamen Maßnahmen sind – das zeigt die Wissenschaft deutlich. Damit diese dann auch umgesetzt werden, braucht es vor allem Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen, statt eines Verantwortungskarussells innerhalb der Politik.