Preisschocks: Fossile Energie gefährdet Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Sicherheit

Analyse Erneuerbare Energie Wirtschaft Technologien
Dienstag, 04.06.2024
Die Abhängigkeit von fossilem Gas bedeutet große Unsicherheit. Spätestens der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat gezeigt, wie rasant die Preise fossiler Energieträger ansteigen können. Wie sich ein solcher Gaspreisschock von 80 Prozent auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt auswirkt, modellierte das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in einer neuen Studie für KONTEXT. Die Ergebnisse verdeutlichen: Von fossilen Energieträgern abzukommen, macht die österreichische Gesamtwirtschaft widerstandsfähiger.

Preisschocks wirken unterschiedlich auf emissionsintensive und -arme Sektoren

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine lies die Preise von fossilen Brennstoffen und dadurch auch Strom im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr massive steigen. Betrachtet man die Verbraucherpreise, wurde Gas im Schnitt um 80 Prozent teurer, Öl um 90 Prozent und Strom um 18,5 Prozent. Teilt man die Wirtschaft in emissionsintensive und emissionsarme Sektoren, abhängig davon, wie viel CO2 sie produziert [1], erkennt man: Die Preissteigerungen haben jeweils sehr unterschiedliche Effekte, da die Produktionsketten stärker oder schwächer auf diesen Energieträgern beruhen.

Fossile Energieträger kosten Wertschöpfung und Arbeitsplätze

Wie sich Gaspreisschocks dieser Größenordnung auf Wertschöpfung und Arbeitsmarkt auswirken, modellierte das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in einer Studie für KONTEXT. Die Modellierung zeigt:

Auswirkungen auf die Wertschöpfung: Ein Gaspreisschock von + 80 Prozent…

  • …lässt die jährliche Wertschöpfung in emissionsintensiven Sektoren im Folgejahr nach der Preiserhöhung um 6,6 Prozent einbrechen. Das entspricht einem Verlust von 10,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2022. Zwei Jahre nach dem Preisschock sinkt die Wertschöpfung immer noch um 5,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • …hat keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die Wertschöpfung von emissionsarmen Sektoren. 

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Ein Gaspreisschock von + 80 Prozent…

  • … lässt die Beschäftigung in emissionsintensiven Sektoren im Folgejahr um 4,1 Prozent sinken. Das entspricht etwa 74.000 verlorenen Arbeitsplätzen im Vergleich zum Jahr 2022. Auch in den Jahren darauf sinkt die Beschäftigung im Modell signifikant weiter. Addiert man den Effekt auf die Arbeitsplätze innerhalb von drei Jahren nach dem Schock auf, sind in Summe etwa 133.000 Jobs im emissionsintensiven Sektor gefährdet.
  • … hat hingegen keine signifikanten negativen Effekte auf den Arbeitsmarkt in emissionsarmen Sektoren. Durch die stark erhöhten Gaspreise wird das Beschäftigungswachstum zwar etwas geringer, bleibt aber durchwegs positiv. Im ersten Jahr nach dem Preisschock erhöht sich die Beschäftigung ähnlich dem Normalzustand weiter um 3,1 Prozent, was 90.000 Arbeitsplätzen entspricht. Auch in den Folgejahren steigt die Beschäftigung im Modell signifikant an, wenn auch in geringerem Ausmaß. Drei Jahre nach dem Preisschock gibt es in Summe 279.000 mehr Jobmöglichkeiten als im Jahr 2022.

Sektoren, die vermehrt auf fossilen Energieträgern beruhen, sind also wesentlich anfälliger dafür, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in solchen Krisensituationen einzubüßen. Zusätzlich zeigen die Studienergebnisse die Tendenz, dass emissionsarme Sektoren auch langfristig resilienter sind. Selbst mehrere Jahre nach dem Preisschock tragen sie in dem Modell viel kleinere Einbußen im Wertschöpfungswachstum davon und verzeichnen im Kontrast zu den emissionsintensiven Sektoren weiterhin Wachstum. Auch die Arbeitsplätze in emissionsarmen Sektoren sind nicht nur unmittelbar viel sicherer gegen die genannten externen Schocks, sondern wachsen trotz einer enormen Gaspreiserhöhung, auch Jahre danach, weiterhin.

Erneuerbare Energien bringen Preisstabilität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit

Ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und eine nachhaltige Transformation aller Sektoren führt lang- und kurzfristig zu mehr Sicherheit, stabileren Preisen und mehr Unabhängigkeit. Das zeigt auch eine Analyse auf Basis eines breiten Spektrums wissenschaftlicher Studien und Datenquellen, von KONTEXT zusammengeführt in [KON]KLUSIO 3.

Von fossilen Energien abzukommen, schafft eine höhere Preisstabilität. Das hat mehrere Gründe:

  • Preise fossiler Energieträger sind durchgehend volatil, auch außerhalb von Krisensituationen.
  • In Krisen sind die Auswirkungen auf fossile Energiepreise besonders drastisch.
  • Die starke Abhängigkeit fossiler Energieträger geht mit geopolitischer Unsicherheit einher.

Von fossilen Energieträgern abzukommen, schafft eine höhere Wettbewerbsfähigkeit. Die österreichische Volkswirtschaft (der Bruttoinlandsverbrauch) wird zu zwei Dritteln aus Öl, Gas und Kohle gespeist [2]. Da diese Rohstoffe fast gänzlich importiert werden müssen, verzeichnet Österreich eine starke Abhängigkeit von der ökonomischen und geopolitischen Situation fossiler Energieträger. Das führt zu Wettbewerbsnachteilen, denn:

  • Andere große Wirtschaftszonen haben durch weniger Importabhängigkeit einen durchgehenden Preisvorteil.
  • Die Ressourcenverfügbarkeit fossilen Gases in Europa ist sehr limitiert.

Grafik Gaspreise

Von fossilen Energieträgern abzukommen, schafft sozioökonomische Stabilität und verringert das Risiko einer von Energiepreisen getriebenen Inflation:

  • Hohe Gas- und Ölpreise machen sich direkt im Verbraucherpreisindex bemerkbar (Haushaltsenergie wie Strom, Heizgas, Heizöl, Fernwärme usw., sowie Diesel und Benzin waren im Jahr 2022 für ein Drittel der historisch hohen Inflationsrate von 8,6 Prozent verantwortlich). Steigende Energiekosten treiben durch höhere Produktionskosten ebenso Güter- und Dienstleistungspreise in die Höhe. [3]

Sowohl die Studie des wiiw als auch [KON]KLUSIO 3 zeigen: Der Ausstieg aus fossilen und der Umstieg auf erneuerbare Energien stärkt die österreichische Wirtschaft und die zugehörigen Arbeitsplätze. Emissionsarme Sektoren sind deutlich resilienter in und abseits von globalen und europäischen Krisen. Der komplette Umstieg auf erneuerbare Energieträger und der Einsatz von modernen Technologien, die nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, schafft somit Resilienz, Sicherheit, Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und sichere Arbeitsplätze für Österreich und Europa.

Fußnoten:

[1] Anm.: Für alle Sektoren (NACE-Klassifizierung) wird in der Studie die CO2-Intensität berechnet (CO2-Ausstoß pro Produktionseinheit). Alle Industrien, deren CO2-Intensität über dem gesamten Median liegt, gelten als emissionsintensiv, alle darunter als emissionsarm.

[4] Umweltbundesamt (2022)

[3] Österreichische Nationalbank (2024)

Mehr zum Thema

swiper-icon-prev
swiper-icon-next

05.03.2025

Wie Österreichs Unternehmen zum Klimaschutz stehen

Unternehmen spielen bei der Ökologisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eine tragende Rolle. Eine neue Studie in Kooperation zwischen KMU Forschung Austria und dem KONTEXT Institut für Klimafragen zeigt die Haltung der österreichischen Unternehmen zu Klimapolitik.

Analyse Wirtschaft Klimapolitik

26.02.2025

Clean Industrial Deal: Der Weg stimmt, Ziel nur gemeinsam zu erreichen

Mit dem Clean Industrial Deal hat die EU-Kommission das Herzstück der EU-Klima- und Wirtschaftspolitik für die kommenden Jahre vorgelegt. KONTEXT hat das Gesetzespaket analysiert.

Analyse EU Wirtschaft Industrie

21.02.2025

Drei Jahre Krieg in der Ukraine: Österreichs Gasabhängigkeit nutzte nur Russland

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Risiken der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verdeutlicht. Trotz des Gasstopps aus Russland drohen neue Abhängigkeiten, etwa durch Flüssiggas. Ein Ausweg liegt im Ausbau erneuerbarer Energien.

Analyse Erneuerbare Energie Wirtschaft

14.02.2025

Die Klimakrise als Sicherheitsrisiko: Drei Beispiele

Wie die Klimakrise und die strategische Abhängigkeit von Energie und Rohstoffen zu einem wachsenden Sicherheitsrisiko für Österreich und Europa werden, zeigt eine neue Analyse von KONTEXT.

Artikel Sicherheit Erneuerbare Energie

29.01.2025

Studie: Grüne Transformation statt Stillstand

Klimaschutz ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Das verdeutlicht eine neue Studie von der Boston Consulting Group (BCG) und KONTEXT.

Analyse Erneuerbare Energie Klimadebatte

28.01.2025

Raus aus dem Klimaschutz, rein in den Wirtschaftsboom?

Die Klimapolitik wird die USA nicht länger von neuem Ölreichtum abhalten, sagt Donald Trump. Er wird dieses Versprechen nicht halten können. Warum das so ist, erklärt Klima-Expertin Katharina Rogenhofer.

Kommentar Klimapolitik Wirtschaft

17.01.2025

Trump Amtsantritt: Hoffnung für Klimaschutz kommt aus den Bundesstaaten

In der zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident sind Rückschritte in der Klimapolitik zu erwarten. Aber Klimapolitik wird nicht nur auf nationaler Ebene gemacht, sondern auch darunter. Das gilt auch für Österreich.

Kommentar Klimapolitik Wirtschaft Erneuerbare Energie

16.01.2025

Analyse zu den Klima-Sparplänen einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung

Die Verhandler von FPÖ und ÖVP haben ihre Klima-Sparpläne in einer möglichen Koalition präsentiert. Einige der Maßnahmen sind nachvollziehbar, andere bringen Rückschritte im Klimaschutz. Eine Einordnung.

Analyse Klimapolitik Wirtschaft