EU: Ökologisierung der Wirtschaft bringt Sicherheit, Unabhängigkeit und Wohlstand

Analyse EU Klimapolitik Wirtschaft
Sonntag, 26.05.2024
Für die Wirtschaft bricht derzeit ein neues Zeitalter der Industrialisierung an. Es zeichnet sich ein globaler Wettlauf zwischen den größten Industrienationen ab, um Wohlstand, Unabhängigkeit und Sicherheit durch diese Ökologisierung zu stärken. Mit dem Green Deal setzte die Europäische Union (EU) zwar bereits den Startschuss für eine zukunftsfähigen Wirtschaft. Ob sie damit sowohl die Emissionen reduzieren und die Chancen für Arbeitsplätze und Sektoren der Zukunft nutzen kann, wird sich nicht zuletzt durch die EU-Wahl entscheiden.

Unsere neue [KON]KLUSIO liefert einen Überblick über die Merkmale vergangener Wellen der Industrialisierung, und was wir aus ihnen lernen können. Gleichzeit zeigt sie die größten Stellschrauben der anlaufenden Ökologisierung und die Chancen eines zukunftsfähigen Europas, in dem gesellschaftlicher Wohlstand nur durch effektiven Klimaschutz und die damit verbundenen wirksamen Lösungen und Technologien gestärkt werden kann. Sie bildet die Einführung einer mehrteiligen Reihe wissenschaftlicher Analysen von KONTEXT zur Relevanz und den Chancen von standort- und klimapolitischen Maßnahmen in der EU und in Österreich.

Für die globale Wirtschaft bricht derzeit ein neues Zeitalter der Industrialisierung an. Die Ökologisierung zeichnet sich durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien und eine breitflächige Elektrifizierung von Prozessen in allen Sektoren aus. Von fossilen Energieträgern abzukommen, steht dabei im Vordergrund. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben der Reduktion von Treibhausgasen geht es um Fragen der Kosten, Sicherheit und Effizienz.

Wettbewerbsnachteil und Sicherheitsrisiko durch Abhängigkeit von fossiler Energie

Vergangene Wellen der Industrialisierung in Europa basierten zentral auf der Nutzung fossiler Energieträger. Diese Abhängigkeit befeuert heute nicht nur die Klimakrise, sondern birgt ökonomische sowie sicherheitspolitische Risiken. Im Vergleich dazu bietet eine Energiewende als großer Teil einer Ökologisierung zahlreiche Vorteile:

  • Fossile Energien, die in Europa größtenteils importiert werden, führen historisch zu hohen Energiepreisen und Kaufkraftabflüssen im Vergleich zu Ländern wie den USA. So war Gas in Europa im Schnitt der Vorkrisenjahre (2011-2019) doppelt so teuer wie in den USA. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stieg der Gaspreis im Schnitt sogar auf das fünffache des amerikanischen an. Erneuerbare Energien halten Preise stabiler, sind langfristig günstiger und verringern Abhängigkeiten.
  • Fossile Energien machen geopolitisch abhängig, sind preisvolatil und hochsensibel gegenüber externen Schocks. Geopolitische Krisen, Kriege und andere unvorhersehbare Ereignisse können einen starken Einfluss auf ihr Preisniveau haben. Eine Preissteigerung fossiler Energieträger hat wiederum gravierende Folgen für Produktions- und Verbraucherpreise. Die Verteuerung von Haushaltsenergie, Diesel und Benzin waren 2022 alleine für ein Drittel der historisch hohen Inflationsrate von 8,5 Prozent verantwortlich. Erneuerbare Energien verringern dieses Sicherheitsrisiko.
  • Fossile Energien sind ineffizient. Knapp drei Viertel der weltweit eingesetzten Primärenergie geht durch die Umwandlung in nutzbare Energie verloren. Besonders die Stromerzeugung durch fossile ist ineffizient und kann leicht durch Erneuerbare ersetzt werden: Wird Kohle für die Stromerzeugung verwendet, gehen rund 68 Prozent der Energie in der Umwandlung verloren, bei Gas sind es 56 Prozent. Erneuerbare Energien sind deutlich effizienter.

Abkehr von fossiler Energie als entscheidende Chance nutzen

Dass die Ökologisierung bereits in vollem Gange ist, zeigen verschiedene Trends eindeutig: Investitionen in erneuerbare Energiequellen nehmen zu. Im Jahr 2023 wurden global rund 1.780 Milliarden US-Dollar in die Energiewende investiert. Verkaufs- und Produktionszahlen von Zukunftstechnologien wie Elektroautos, Photovoltaik, Windkraftanlagen und Wärmepumpen steigen kontinuierlich. Vor allem in den letzten Jahren macht sich die Ökologisierung auf globalen Märkten bemerkbar.

Diese Dynamiken versprechen viele neue Chancen für wachsenden Wohlstand und eine lebenswerte Zukunft. Um diese Chancen innerhalb der EU und in Österreich stärker zu nutzen, gilt es proaktive standort- und klimapolitische Maßnahmen zu setze, die den Umbau vorantreiben. Das bedeutet:

  • Erneuerbare Energieträger und das Stromnetz sollten in der EU und in Österreich breitflächig ausgebaut werden. Hier ist die EU auf einem guten Weg: im Jahr 2021 wurde 39 % des Stroms mit erneuerbaren Quellen produziert, mehr als in den USA (20 %) und in China (29 %). Gleichzeitig gilt es, Prozesse in allen Sektoren zu elektrifizieren und wirksame Technologien einzusetzen, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu ermöglichen. Hier gibt es noch Aufholbedarf: Der Anteil von Strom am Gesamtenergieverbrauch lag im Jahr 2021 in China bereits bei 28 %, in Europa nur bei 22 %, in den USA bei 21 %.
  • Im Industriesektor ist neben technischen Roadmaps eine ganzheitliche Industriestrategie notwendig, die sich auf jene Branchen und Technologien fokussiert, die großes Zukunftspotenzial haben und anderen einen Übergang in ebensolche Bereiche ermöglicht. So können die Chancen der Innovation und Beschäftigung, die dort entstehen, zeitgerecht genutzt werden.
  • Im Transportsektor bedeutet das einen Umstieg auf E-Mobilität im Individualverkehr und einen massiven Ausbau von öffentlichem Nah- und Fernverkehr, sowie die Förderung aktiver Mobilität durch mehr Rad- und Fußweg-Infrastruktur.

Zur Gewährleistung der nötigen Investitions- und Planungssicherheit, ist ein Fokus auf effiziente und skalierbare Technologien sowohl durch klare Rahmenbedingungen wie Regulierung und gesetzliche Vorgaben notwendig. Dafür braucht es Technologieklarheit. Gleichzeitig dürfen Scheinlösungen keinen Raum mehr in der klimapolitischen Diskussion einnehmen. So ist es möglich, die Klimakrise zu begrenzen und gleichzeitig die technologischen, wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Chancen der Ökologisierung zu nutzen.

Mehr zum Thema

swiper-icon-prev
swiper-icon-next
[KON]KRET Klimapolitik EU

Was passiert, wenn Österreich die EU-Klimaziele nicht erreicht?

Nach den EU-Klimazielen ist Österreich verpflichtet, seine Emissionen in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent zu reduzieren. Wenn die Bundesregierung nicht sämtliche eingeplanten Maßnahmen aus dem aktuellen Klimaplan umsetzt, wird sie dieses Ziel allerdings verfehlen. Dann könnten laut dem Finanzministerium Ausgleichzahlungen in Milliardenhöhe anfallen und den Bundeshaushalt zusätzlich belasten.

17.10.2024

Kommentar Klimapolitik EU

"Wie es mit dem Klima weitergeht, entscheidet die ÖVP"

Welche Koalition wählt der Umweltschutz? Expertin Katharina Rogenhofer hat sich angeschaut, ob ein Pakt zwischen Volkspartei und Freiheitlichen oder eine Dreierkoalition besser fürs Klima wäre.

11.10.2024

Analyse Klimapolitik Erneuerbare Energie Wirtschaft

Die letzte Regierung vor 2030: Koalitionen im Klimacheck

Eine neue Analyse von KONTEXT zeigt anhand der Wahlprogramme und Parteipositionen, welche Klimapolitik in möglichen Regierungskonstellationen zu erwarten ist und ob Österreich damit seinen Verpflichtungen gerecht wird.

26.09.2024

Kommentar Klimapolitik EU

Bodenversiegelung: Schon 76 Prozent für fixe Grenzwerte

Plötzlich ist Bodenversiegelung in TV-Duellen ein großes Thema. Eine neue Umfrage zeigt, dass die Bevölkerung da schon viel weiter ist als die Politik. 87 Prozent sind für mehr Bodenschutz. Katharina Rogenhofer über Studie und Folgen.

26.09.2024

Umfrage Klimapolitik Technologien Klimadebatte

Umfrage: Wähler:innen aller Parteien wollen mehr Klimaschutz

Fast alle Parteien hinken dem klimapolitischen Willen ihrer Wähler:innen hinterher. Das zeigt eine neue Umfrage des KONTEXT Institut für Klimafragen anlässlich der Nationalratswahl.

19.09.2024

Kommentar Klimapolitik EU

Frist verpasst: Österreich ist weiter planlos beim Klimaschutz

Österreich hat keinen nationalen Energie- und Klimaplan bei der EU-Kommission abgegeben. Wieso das mehr als peinlich ist, wie es dazu kam und was nun passiert, erklärt Katharina Rogenhofer.

13.07.2024

Kommentar Klimapolitik EU

Windrad oder Ölbohrer? Was die US-Wahl fürs Weltklima bedeutet

Das Duell Donald Trump gegen Kamala Harris ist auch beim Thema Klimaschutz eine Richtungsentscheidung. Welche Rolle Europa dabei spielt, erklärt Katharina Rogenhofer.

20.08.2024

Kommentar Klimapolitik EU

Warum 2030 mit den Klimaversprechen abgerechnet wird

Viele Klimaschutzpläne messen ihr Gelingen am Jahr 2030. Was muss bis dahin passieren? Wo stehen wir? Und was hat Österreichs Nationalratswahl damit zu tun? Katharina Rogenhofer zum Jahr der Abrechnung.

12.09.2024