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Mobilität und Gebäude: Klimapolitische Hebel für die nächste Wiener Stadtregierung

Artikel Klimapolitik Mobilität Gebäude
Dienstag, 22.04.2025
Um bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden, muss Wien große Baustellen in den Bereichen Mobilität und Gebäude angehen. Die Wiener Bevölkerung und Unternehmen sind jedenfalls bereit dafür, wie eine neue Analyse vom KONTEXT Institut für Klimafragen zeigt.

Mit einem eigenen und österreichweit einzigartigen Klimagesetz hat Wien in diesem Jahr das Ziel in Gesetz gegossen, 2040 klimaneutral zu werden. Anlässlich der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl am Sonntag, den 27. April, hat KONTEXT analysiert, vor welchen klimapolitischen Herausforderungen Wien steht, welche Hebel es gibt, um diese zu überwinden – und was die Bevölkerung und Unternehmen davon halten. 

Zwar lag der Ausstoß von Treibhausgasen in Wien im Jahr 2022 im Vergleich zu 2005 um mehr als zwei Zehntel (23,5 Prozent) niedriger. [1] Auch im Jahr 2022 pumpte die Bundeshauptstadt jedoch immer noch rund 5,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Luft, so die Daten des Umweltbundesamts (UBA). Bereits herausgerechnet ist darin jener Teil des Treibhausgas-Ausstoßes, der über das Europäische Emissionshandelssystem gehandelt wird. 

Den anderen Bundesländern ist Wien deutlich voraus: Während Wien im Jahr 2022 pro Kopf 2,8 Tonnen an Treibhausgasen ausstieß, lag der Schnitt über alle Bundesländer im selben Jahr mit 5,1 Tonnen pro Kopf fast doppelt so hoch. Auf dem Weg zum Ziel, 2040 klimaneutral zu werden, steht Wien dennoch vor großen Herausforderungen – allen voran in den Bereichen Mobilität und Gebäude.

Herausforderungen der Mobilitätswende

Etwa die Hälfte der Wiener Emissionen entfallen auf den Bereich Verkehr (50,9 Prozent). In den Wiener Verkehrsemissionen enthalten ist zum Teil auch jener Verkehr, der durch Auto-Pendler:innen aus anderen Bundesländern entsteht. 

Zwar wird bereits drei Viertel (75 Prozent) der Wege in Wien klimafreundlich zurückgelegt – also mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Allerdings stagniert dieser Anteil seit Jahren in etwa auf demselben Niveau. Ziel des Wiener Klimafahrplans ist es, ihn bis 2030 auf und bis 2050 deutlich über 85 Prozent zu steigern.

Entscheidend für das Mobilitätsverhalten ist die Infrastruktur. Welche Verkehrsmittel in Zukunft verwendet werden, hängt stark davon ab, wie das Bahn-, Bus-, Fahrrad- oder Straßennetz ausgebaut wird. Der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und Radwege wird zwar in Wien etwa durch Projekte wie den Bau des Linienkreuzes U2/U5 oder die Radwegoffensive vorangetrieben. Im Mittelpunkt der Debatte zur Verkehrsinfrastruktur steht jedoch weiterhin der Bau des Lobautunnels. Das Umweltbundesamt, die TU Graz und die TU Wien kommen in einer strategischen Prüfung zum Schluss, dass der Lobautunnel zwar den überregionalen Verkehr teilweise verbessern würde, aber weiterhin eine hohe Auslastung im bestehenden Straßennetz bedeutet. Insgesamt würden der Straßenverkehr und damit auch die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu den untersuchten Alternativen am stärksten zunehmen, was den klimapolitischen Ambitionen der Stadt entgegenläuft. Langfristige positive wirtschaftliche Effekte seien davon nicht zu erwarten. Die Kosten für den Tunnel und Vollausbau der S1 sind mit 2,4 Milliarden Euro jedoch enorm. Deutlich effektiver, kostengünstiger und klimafreundlicher wären hingegen Ausgaben in Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und zur Verkehrslenkung.

Herausforderungen der Wärmewende

Knapp ein Viertel der Wiener Emissionen (24,8 Prozent) wird im Gebäudesektor verursacht. Der Großteil davon stammt von Gasheizsystemen (fast 90 Prozent). Sowohl Heizungen als auch Wasser werden in Wiener Gebäuden häufig über eine Gastherme erwärmt. Rund 840.000 Gasheizungen sind derzeit noch in Österreich verbaut – mehr als die Hälfte davon in Wien (474.000). Dazu kommt, dass viele Häuser schlecht gedämmt sind. Um solche Wohnungen im Winter warm zu halten, fallen nicht nur hohe Mengen an klimaschädlichem Erdgas, sondern auch hohe Kosten für die Bewohner:innen an. Besonders für Haushalte mit niedrigen Einkommen, die in schlecht gedämmten Wohnungen wohnen, wodurch ihr Energieverbrauch hoch ist – sogenannte energiearme Haushalte, wird das Winter für Winter zum enormen Problem. Fünf Prozent der Wiener Haushalte gaben laut Statistik Austria im letzten Quartal 2024 an, sich es nicht leisten zu können, Haus oder Wohnung angemessen warm zu halten. 

Die Herausforderungen für eine effektive Wärmewende ist einerseits der Zeitdruck: Um Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, müssen Gasheizungen in Wien innerhalb weniger Jahre durch klimafreundliche Heizformen ersetzt werden. Andererseits ist auch die Zuständigkeit beim Heizungstausch eine Hürde: Ein Großteil der Wohnungen mit Gasheizungen in Wien sind Mietwohnungen. Für einen Heizungstausch zuständig sind jedoch nicht die Mieter:innen, die unmittelbar von den Nachteilen einer Gasheizung betroffen sind und von den Vorteilen eines Umstiegs profitieren würden, sondern die Vermieter:innen, die nur geringe Anreize für derartige Investitionen haben. 

Notwendige Maßnahmen

Aber nicht nur die Herausforderungen, auch die klimapolitischen Hebel der Stadt sind groß – und vielfältig. Im Mobilitätsbereich ist es notwendig, nachhaltige Alternativen zu stärken. Das gelingt durch den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und Radwegen, aber auch durch Verbreitung und Attraktivierung von Gehwegen. Gleichzeitig sollten Sharing-Angebote im Mobilitätsbereich ausgeweitet und auf E-Mobilität umgestellt werden. Um die Verkehrsberuhigung voranzutreiben, sollten Tempo-30 Zonen ausgeweitet, sogenannte Supergrätzel überall in Wien umgesetzt und Fahrradstraßen, Fußgänger- und Begegnungszonen ausgeweitet werden. Auch bei Parkraumbewirtschaftung und Stellplatzregulierung gibt es Hebel hin zu nachhaltiger Mobilitätsplanung:  Berechtigungszonen für das Parkpickerl könnten verkleinert werden und für besonders große Autos (SUVs) erhöhte Parkgebühren eingehoben werden. Für Autos mit besonders hohen Emissionswerten könnten Einfahrtsverbote verhängt werden. Über Anpassungen im Garagengesetz kann die Zahl der vorgeschriebenen neu zu errichtenden Stellplätze reduzieren werden, im Einklang mit dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel für die entsprechenden Standorte.

Im Gebäudebereich braucht es Planungs- und Investitionssicherheit. Dafür notwendig ist einerseits ein rechtlicher Rahmen samt Fristen für den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen und Sanierungen. Insbesondere die Stilllegung von Gasnetzen, sollte langfristig und transparent geplant werden, damit sich die Menschen darauf einstellen können. Speziell in Mehrparteienhäusern gilt es, die Zentralisierung von Heizsystemen und Sanierungsmaßnahmen zu erleichtern. Damit eine schnelle Ökologisierung im Gebäudebereich möglich wird, braucht es auch mehr und gut ausgebildete Fachkräfte in den Bereichen Sanierung und Heizungsinstallation, die diese umsetzen.  

Eine effektive, schnelle Mobilitäts- und Wärmewende ist jedoch nicht nur zum Erreichen der Wiener Klimaziele unerlässlich. Für die Bevölkerung bedeuten sie erheblichen Mehrwert. Durch die Sanierung von Gebäuden und den Umstieg auf nachhaltige Heizformen können die Heizkosten erheblich gesenkt werden. Nachhaltige Mobilität verbessert nicht nur die Luftqualität und damit die Gesundheit der Bevölkerung, sondern senkt auch den Lärmpegel in der Stadt deutlich.

Wiener Bevölkerung und Wirtschaft für ambitionierten Klimaschutz

Die Wiener Bevölkerung erkennt diesen Mehrwert: Sie unterstützt nicht nur ambitionierte Klimapolitik, sondern auch entsprechende Maßnahmen zum Klimaschutz im Mobilitäts- und Gebäudebereich. Das zeigen die Ergebnisse mehrerer repräsentativer Umfragen, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut marketagent, die von KONTEXT nach Bundeslanddaten ausgewertet wurden. 

Knapp drei Viertel (73 %) der Wiener Bevölkerung ist Klimaschutz ein wichtiges Anliegen. Dass die Klimakrise in der Stadt bereits deutlich spürbar ist, haben die langen und starken Hitzeperioden, aber auch Starkregenereignisse und Überflutungen der letzten Jahre gezeigt. Mehr als vier von fünf (82 %) wünschen sich von der Politik eine Anpassung an Extremwetterereignisse. Ebenso mehrheitliche Zustimmung finden Klimaschutzmaßnahmen: 86 Prozent der Befragten befürworten die Förderung von Gebäudesanierung und von nachhaltigen Heizformen. Mehr als die Hälfte (57 %) spricht sich für den Ausbau klimafreundlicher Mobilität statt eines Festhaltens an Verbrennermotoren aus. Gut drei Viertel (76 %) halten die Förderung von Zukunftstechnologien und klimafreundlichen Sektoren für wichtig, um sichere Arbeitsplätze zu schaffen. 

Auch Wiener Unternehmen erkennen die Notwendigkeit von Klimaschutz und sind bereit, daran mitzuwirken. Das geht aus einer gemeinsamen Studie von KONTEXT und der KMU Forschung Austria hervor, in der KMUs zu Klimaschutz und Klimapolitik befragt wurden. Mehr als drei Viertel (77 %) der befragten Unternehmen sehen Verantwortung bei sich, Umwelt und Klima zu schützen. Beinahe zwei Drittel (64 %) unterstützen ambitionierte Klimapolitik, auch wenn damit Einschränkungen für ihr Unternehmen verbunden sind. Vermisst werden hingegen konkrete Schritte von Seiten der Politik: Zwei Drittel (66 %) meinen, es werden zwar Ziele formuliert aber nicht genug konkrete Maßnahmen ergriffen, um diese umzusetzen. Der Großteil (86 %) der befragten Unternehmen fordert von der Politik, sich umfassend für Klimaschutz einzusetzen. 

Fazit 

Ob und wie Wien den Forderungen und Bedürfnissen seiner Bevölkerung und Unternehmen nachkommt, hängt auch von der bevorstehenden Wahl ab: Die Zeit bis 2040, bis zum Erreichen der Klimaneutralität, ist knapp. Das Regierungsprogramm, das auf die Wahl folgt, ist entscheidend dafür, ob bis dahin eine ambitionierte Mobilitäts- und Wärmewende gelingen kann. Zwar ist Wien dabei nicht zuletzt auch auf die Bundesregierung angewiesen, um entsprechende Gesetze zu beschließen. Eine Vielfalt an klimapolitischen Hebel ermöglicht es aber der Stadt, selbst, nicht nur bei den Zielen, sondern auch bei den Maßnahmen ambitioniert voranzugehen.

 

[1] Die Stadt Wien verwendet für ihre Kommunikation zu Emissionszahlen und für den Klimafahrplan die sogenannten “Second Estimate”-Daten des Umweltbundesamts, für die ein spezieller Schlüssel angewendet wird, damit die die Bundesländer-Zuteilung von österreichweiten Verkehrsemissionen präziser erfolgt. Aufgrund der unvollständigen Verfügbarkeit dieser Daten – auch mit Blick auf Bundesländer- und Sektorenvergleiche – verwendet diese Analyse die Emissionsdaten des Umweltbundesamts nach den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes (KSG).

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