Warum der Erstentwurf des Klimaplans zurückgezogen wurde
Mit einigen Monaten Verspätung hatte Klimaministerin Leonore Gewessler im Oktober 2023 den bekannten, unvollständigen Entwurf nach Brüssel gesandt. Kurz darauf wurde er von EU- und Verfassungs-Ministerin Karoline Edtstadler jedoch wieder zurückgezogen, die damit ihre fundamentale Ablehnung des Entwurfs zum Ausdruck brachte. Seit Dezember 2023 läuft wegen der verpassten Frist deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich.
Seitdem herrscht öffentlich Funkstille. Weder ist klar, was die Vorschläge der ÖVP zur Zielerreichung wären, noch konnte die EU-Kommission den Entwurf begutachten und Feedback rückmelden. Am 30. Juni 2024 hätte dann der überarbeitete, fertige Plan in Brüssel einlangen müssen. Doch auch das ist nicht passiert. Damit hat Österreich vergangene Woche eine weitere Frist verpasst.
Wer nein sagt muss auch B sagen
Als Bürger:innen dürfen wir erwarten, dass sich die Regierung konstruktiv an komplexe Themen heranwagen. Vor allem, wenn sie so wichtig für die Gegenwart und Zukunft aller in Österreich lebenden Menschen sind. Das Mittel der Wahl: konstruktive Kritik. Verbesserungsvorschläge. Verhandlungen. Abschlüsse. Sagt eine Seite ausschließlich nein, ohne mitzuteilen, was sie ändern will, wird die Lösungsfindung schwierig und produktive politische Arbeit wird unmöglich.
Auch die sinnvolle Einbeziehung von Wissenschaft, Umweltorganisationen, Verwaltung, Parteien und Interessensvertretungen und der Bevölkerung leidet darunter. Denn offiziell sollen die Erstellung der Pläne auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit passieren. Nachdem die ÖVP den Erstentwurf jedoch fundamental abgelehnt hat, wird ein neuer Plan – selbst bei Einigung – wohl ganz anders aussehen. Wie genau ist unklar und Begutachtung wird es dann keine mehr geben. Demokratiepolitisch ist das nicht ideal, abgesehen davon, dass es auch auf EU-Ebene kein gutes Licht auf Österreich wirft.
Wie es nun weitergehen könnte
Das Umweltministerium hat darum gebeten, die Frist bis nach dem Sommer zu verlängern. Bis zur Nationalratswahl im September hätte die Regierung dann noch Zeit, um sich auf einen überarbeiteten Entwurf des NEKP zu einigen und ihn bei der EU-Kommission einzureichen. Ob diese Einigung gelingen wird, ist unklar, wie der Entwurf dann aussieht, ob er für die Erreichung der Klimaziele ausreicht, ob die bisherigen Stellungnahmen ernst genommen werden, ebenso. Wird er nicht eingereicht, hinterlässt die Regierung der Nächsten wohl zwei Vertragsverletzungsverfahren. Eines hat die EU wegen des fehlenden Entwurfs bereits eingeleitet, ein zweites dürfte nun nach Verpassen der neuerlichen Frist folgen. Das wäre kein gutes Erbe einer Regierung.
Weitere politische Projekte noch offen
Neben einem nationalen Klimaplan mangelt es Österreich auch an weiteren Entscheidungen: Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz Gesetz ist noch ausständig, auf ein Klimaschutzgesetz wartet Österreich seit 2020. Dabei sollte die Ökologisierung möglichst mutig und ambitioniert vorangetrieben werden: denn sie bringt viele Vorteile und ohne sie können wir unseren Wohlstand und unsere Sicherheit nicht aufrechterhalten. Klimapolitische Maßnahmen zu verschleppen, bedeutet im Umkehrschluss, Ungewissheit ans Steuer zu lassen. Und das wäre fahrlässig.