Warum die deutsche Wahl über EU-Klimapolitik entscheidet

Kommentar Klimapolitik EU
Mittwoch, 22.01.2025
Das wichtigste Land der Union wählt am Sonntag. Wer regiert danach? Kommt der Klimaschutz unter die Räder und hilft Kommissionschefin Ursula von der Leyen dabei tatkräftig mit? Klima-Expertin Katharina Rogenhofer über Wahl und Folgen.

Dieser Text erschien als Kolumne bei Newsflix.at

Die Bundestagswahl beeinflusst nicht nur die politische Zukunft  in Deutschland, sondern auch die Klimapolitik der gesamten Europäischen Union.

Am kommenden Mittwoch präsentiert die EU-Kommission unter der Führung ihrer Präsidentin, Ursula von der Leyen, den lange angekündigten erwarteten Clean Industrial Deal. Das neue Gesetzespaket wird das Herzstück der EU-Klima- und Wirtschaftspolitik in den kommenden fünf Jahren und schließt an den Green Deal aus der ersten Amtszeit von der Leyens an.

Ziel des Gesetzespakets ist es durch die Ökologisierung der Wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent (gegenüber 2005) zu reduzieren. Dazu soll der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt, die Industrie elektrifiziert, Zukunftstechnologien gefördert, grüne Leitmärkte geschaffen und die Kreislaufwirtschaft ausgebaut werden.

 

Besondere Bedeutung für die Rolle Deutschlands

Die Maßnahmen des Green Deal wurden ab 2019 von einer breiten Mehrheit im Europäischen Parlament und im Rat der EU getragen. Anders als für das Vorgängerprogramm wird die EU-Kommission für den Clean Industrial Deal nun aber deutlich mehr politische Überzeugungsarbeit bei den beiden Ko-Gesetzgebern auf EU-Ebene leisten müssen.

Das liegt einerseits daran, dass heute in mehr Mitgliedsländern rechte Regierungen an der Macht sind, denen die EU-Klimapolitik ein Dorn im Auge ist.

Andererseits machen auch innerhalb des konservativ-bürgerlichen Lagers immer mehr Verantwortliche Stimmung gegen notwendige Maßnahmen, sodass sich die Kommissionspräsidentin der Unterstützung aus ihrer eigenen Parteienfamilie nicht mehr gewiss sein kann. Im Lichte dieser Entwicklung kommt der Rolle Deutschlands und damit auch der Bundestagswahl am Sonntag besondere Bedeutung zu.

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner von nahezu jedem anderen Mitgliedsland und stemmt den höchsten finanziellen Beitrag für das EU-Budget. Entscheidend auf politischer Ebene ist aber, dass es das bevölkerungsreichste Mitgliedsland ist. Gerade im Rat der EU fällt Deutschlands Stimme dadurch enorm ins Gewicht. Durch die aktuellen politischen Machtverhältnisse im Rat steht und fällt die EU-Klimapolitik mit der Unterstützung Deutschlands.

 

Neue Machtverhältnisse in Europa

Italiens aktuelle Regierung unter der Ministerpräsidentin Georgia Meloni steht der EU-Klimapolitik ebenso kritisch bis ablehnend gegenüber wie Viktor Orban in Ungarn. In Tschechien steht Andrej Babis, ebenfalls Gegner der Klimapolitik, laut Umfragen vor der Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten nach den Parlamentswahlen im Herbst. In Belgien und den Niederlanden stellen Parteien weit rechts der Mitte die Regierung.

Für die qualifizierte Mehrheit im Rat, die für EU-Gesetze notwendig ist, reicht die Zustimmung von 15 Mitgliedsländern, solange sie 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Das heißt, selbst wenn all die oben genannten und bis zu sieben weitere kleine Mitgliedsländer geschlossen abstimmen würden, könnten sie klimapolitischen Maßnahmen der EU-Kommission nicht blockieren.

Anders wäre es im Falle Deutschlands. Mit einem Anteil von 18,8 Prozent an der EU-Bevölkerung müssen nur wenige weitere Mitgliedsländer gemeinsam mit Berlin abstimmen, um notwendige Maßnahmen zu kippen.

Diese Mehrheitsverhältnisse stärken die Verhandlungsposition Deutschlands in Brüssel – und damit auch jene von einzelnen Minister:innen in der Regierung. Bereits im letzten Jahr der Ampel-Regierung haben FDP-Minister Vorhaben, wie das Zulassungsende von fossil betriebenen Autos mit 2035 und das Lieferkettengesetz durch ihre Zurückhaltung im Rat eigenmächtig verzögert. Es macht für die EU also einen Unterschied, welche Parteien in Berlin Regierungsverantwortung tragen.

 

Rot-Schwarz oder Rot-Schwarz-Grün?

In diesem Lichte kommt der Bundestagswahl am Sonntag besondere Bedeutung zu. Glaubt man den Umfragen wird der nächste deutsche Bundeskanzler mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz heißen. Offen bleibt aber, mit wem die Union aus CDU und CSU eine Regierung bilden werden. Eine Koalition mit der AfD schließt die Union aus, eine mit der FDP wird sich, wenn sie es denn überhaupt in den Bundestag schafft, rechnerisch nicht ausgehen.

Damit bleiben die Sozialdemokraten als wahrscheinlicher Koalitionspartner übrig. Da die Partei von Kanzler Olaf Scholz aber laut Umfragen wohl deutlich weniger als 20 Prozent der Stimmen bekommen wird, könnte eine dritte Partei für eine Mehrheitsbildung im Bundestag notwendig sein: am wahrscheinlichsten wären wohl die Grünen.

 

Wachsender Widerstand in der Europäischen Volkspartei

Sowohl SPD als auch Grünen stehen im Wesentlichen für die Fortführung der EU-Klimapolitik der vergangenen fünf Jahre. Aus der Union (CDU und CSU) hört man im Wahlkampf wenig zu Klimaschutz. Aber wie in der gesamten Europäischen Volkspartei (EVP) wächst die Skepsis gegenüber dem Green Deal. Das wurde bei einem Treffen der Parteispitzen Mitte Jänner in Berlin deutlich.

Damit setzt sich der Kurs fort, den die EVP mit ihrem massiven Widerstand gegen das EU-Renaturierungsgesetz ab 2023 eingeschlagen hat. Damals hatte sie teilweise Falschinformationen verbreitet, um Stimmung gegen das Gesetz zu machen.

Nun passiert dasselbe mit legitimen Sorgen über die Nachhaltigkeits-Berichtspflichten von Unternehmen. Statt hier konstruktive Lösungen – gerade für kleinere Betriebe – zu finden, werden die Ziele der Gesetze infrage gestellt und es formiert sich eine Totalopposition. Diese Haltung reicht über die Parteigrenzen hinaus. Jüngst hat sich auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron für die Rücknahme von Berichtspflichten für Unternehmen ausgesprochen.

 

Von der Leyen gibt in Teilen nach

Kommissionspräsidentin von der Leyen regiert auf den wachsenden Widerstand aus den eigenen Reihen. In einem "Competitiveness Report" hat sie parallel zum Clean Industrial Deal in Aussicht gestellt, dass wichtige Errungenschaften ihrer ersten Amtszeit, wie den CO2-Grenzausgleich, das Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung, "vereinfacht" und in weiten Teil rückabwickelt werden sollen.

Zwar ist eine Vereinfachung in manchen Bereichen sinnvoll, damit Unternehmen beispielsweise nicht an alle, die sie beliefern, hundertfach in verschiedenen Ausführungen berichten müssen und auch die Kennzahlen vereinheitlicht werden. Aber Rückschritte was die Ziele dieser Vorhaben betrifft, sind kontraproduktiv.

Denn die klimapolitische Bilanz des Green Deals durchaus beachtlich: Der Green Deal hat die EU auf einen Emissionspfad gebracht, der mit Szenarien vereinbar ist, die den globalen Temperaturanstieg auf etwas über 2°C begrenzen. Das entspricht einer Verbesserung von mehr als 1°C im Vergleich zu den Prognosen vor dem Green Deal. Und genau so muss es weitergehen – gerade, wenn wir zunehmenden Dürren und Extremwetterereignissen vorbeugen und den Vorteil der Ökologisierung für Wirtschaft und Arbeitsplätze sinnvoll nutzen wollen.

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