Zehn Schritte zur Energiefreiheit
Was braucht es, um Österreich künftig mit sauberer und leistbarer Energie zu versorgen? Eine neue Studie des KONTEXT Institut für Klimafragen nennt zehn Schritte, die dafür notwendig sind.
Mehr als die Hälfte der zehn größten globalen Sicherheitsrisiken sind direkte oder indirekte Auswirkungen der Klimakrise. Das zeigt der neue Report der Münchner Sicherheitskonferenz, die heute startet. Dessen Kernstück, der Munich Security Index, bildet die globale Risikowahrnehmung der G7- und B(R)ICS-Länder ab: Vier der zehn größten Risiken sind direkte Folgen der Klimakrise. Drei weitere werden durch ihre indirekten Effekte verstärkt.
Das weltweit führende Forum zu internationaler Sicherheitspolitik verdeutlicht damit, dass die Klimakrise nicht nur eine ökologische, sondern auch eine zentrale sicherheitspolitische Herausforderung ist. Neben Extremwetterereignissen verschärft sie geopolitische Spannungen, destabilisiert ganze Regionen, zwingt Menschen zum Verlassen ihrer Heimat und trägt zu wachsender Ungleichheit und Konflikten bei.
KONTEXT hat sich drei zentrale sicherheitspolitische Herausforderungen für Österreich genauer angesehen.
Strategische Unabhängigkeit
In Europa und auch Österreich bergen geopolitische Abhängigkeit hohe Risiken - bei fossilen Energien, aber auch bei für die Ökologisierung zentralen Rohstoffen und Schlüsseltechnologien. Diese Abhängigkeiten gelten auch in der österreichischen Sicherheitsstrategie als zentrale sicherheitspolitische Herausforderung und das österreichische Risikobild hebt hervor, dass sie „insbesondere angesichts der angespannten geopolitischen Situation“ ein bedeutendes Risiko darstellen. Österreich wird dadurch erpressbar, was von Ländern wie Russland und den USA geopolitisch und wirtschaftlich ausgenutzt wird. Um diese Sicherheitsrisiken einzudämmen, ist es notwendig kritische Abhängigkeiten bei Energie, Rohstoffen und Technologien zu reduzieren.
Energieabhängigkeiten reduzieren
Im Energiebereich hat Österreichs starke Importabhängigkeit bei Gas und Öl gravierende Folgen für Preis- und Versorgungssicherheit. Preisschocks in der Höhe von jenem nach Beginn des russischen Angriffskriegs verursachen in emissionsintensiven Sektoren Österreichs Verluste von über zehn Milliarden Euro. Emissionsarme Sektoren sind hingegen resilient gegenüber fossilen Preisschocks.
Gleichzeitig heizen hohe Energiepreise die Verbraucherpreise an. Während der historisch hohen Inflationsrate von rund elf Prozent Ende des Jahres 2022 waren die stark gestiegenen Preise von Haushaltsenergie (Gas, Öl, Elektrizität) und Treibstoffen (Diesel, Benzin) für rund ein Drittel der Teuerung verantwortlich (siehe Grafik 2). Solche kurzfristigen und drastischen Preisanstiege haben tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Folgen. Die Teuerung spüren vor allem Haushalte mit geringen Einkommen überproportional stak im Geldbörsel und die Industrie in der Produktion. Durch indirekte Effekte (Lieferketten, Energie als Produktionsgut, etc.) erhöhen steigende Energiepreise auch die Preise anderer Güter und Dienstleistungen. Der Inflationseffekt durch die gestiegenen Energiepreise lag im Jahr 2022 insgesamt demnach sogar bei mehr als zwei Drittel.
Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wirkt nicht nur durch hohe und unsichere Preise destabilisierend, sie bedeuten für Österreich auch Erpressbarkeit und erhebliche wirtschaftliche Nachteile – nicht nur in Krisenzeiten: Schon vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kam es seitens Russlands zu mindestens 55 Fällen von Gaslieferstopps oder Drohungen. Viele davon waren mit wirtschaftlichen oder politischen Forderungen verbunden. Laut Österreichs Sicherheitsstrategie soll der Gasverbrauch daher „so rasch wie möglich reduziert werden“. Die jährlichen Netto-Ausgaben für Gas, Öl und Kohle lagen selbst vor Kriegsbeginn bei rund acht Milliarden Euro jährlich (Schnitt 2015–2019). Im Krisenjahr 2022 stieg das Handelsbilanzdefizit – also der Überschuss an Importen im Vergleich zu Exporteinnahmen – bei fossilen Energieträgern auf mehr als 19 Milliarden Euro. Hohe Importkosten bedeuten auch Wettbewerbsnachteile. So strauchelt auch die heimische Industrie unter den gestiegenen Gaspreisen und hinkt damit anderen Wirtschaftszonen, wie beispielsweise den USA hinterher, die durch eigene fossile Brennstoffvorkommen deutlich günstigere Preise und dadurch Produktionskosten aufweisen.
Deshalb stellt der Ausbau erneuerbarer Energien die wichtigste Maßnahme dar, um die Abhängigkeit von fossilen Importen zu verringern und Energie langfristig günstiger und zu stabileren Preisen zur Verfügung zu stellen. Die Elektrifizierung verschiedener Prozesse und Sektoren schafft somit Sicherheit. Dadurch profitieren sowohl die Industrie als auch die Gesellschaft. Wertschöpfung bleibt vor Ort und neue Arbeitsplätze werden geschaffen, anstatt Milliarden an andere Länder abzuführen (für Rohöl beispielweise Kasachstan, Libyen und dem Irak).
Ressourcenabhängigkeit reduzieren
Neben Energieabhängigkeiten ergeben sich in Österreich durch internationale Wertschöpfungsketten auch ausgeprägte Abhängigkeiten bei Ressourcen: Viele Industriezweige sind auf den Import essenzieller Güter, Rohstoffe und Komponenten aus einigen wenigen Lieferländern angewiesen. Neben oft verehrenden Arbeits- und Umweltbedingungen bei der Rohstoffgewinnung können solche Abhängigkeiten auch geopolitische Machtungleichgewichte verstärken. Die starke Importabhängigkeit dieser Rohstoffe erhöht das Risiko von Lieferengpässen und Preisvolatilität, insbesondere in Krisenzeiten oder bei geopolitischen Spannungen, aber auch durch Naturkatastrophen.
Besonders im Bereich kritischer Infrastruktur bestehen Abhängigkeiten von Halbleitern und bestimmten Rohstoffen wie Magnesium und Niob. Zudem führt die Elektrifizierung und der Ausbau erneuerbarer Energien zu einem steigenden Bedarf an kritischen Rohstoffen wie seltenen Erden, Kobalt und Lithium. Da Europa über geringe eigene Vorkommen verfügt, ist eine effiziente Kreislaufwirtschaft für strategische Unabhängigkeit entscheidend. Dazu ist es notwendig Recyclingkapazitäten auszubauen, Rückgewinnungstechnologien zu verbessern und die industrielle Wiederverwertung konsequent zu fördern. Neben der Rohstoffsicherung bietet dies auch wirtschaftliche Chancen: Europa und Österreich können eine Vorreiterrolle in der Kreislaufwirtschaft einnehmen, da bereits zahlreiche innovative Unternehmen in diesem Bereich tätig sind.
Folgen von Extremwetterereignissen
Ein zweites großes sicherheitspolitisches Risiko sind die mit der Klimakrise zunehmende Extremwetterereignisse wie Überflutungen, Stürme und Dürren. Im Herbst 2024 traf Österreich bereits das dritte Jahrhunderthochwasser innerhalb von 22 Jahren. Die Überschwemmungen verursachten Schäden von mindestens 1,3 Milliarden Euro, zerstörten Wohngebiete, Verkehrswege und großflächig landwirtschaftliche Flächen. Die Zunahme von Überschwemmungen, Stürmen, Waldbränden und extremen Temperaturereignissen sieht man auch in der Statistik (siehe Grafik 3). Mit jedem Zehntel Grad Erderwärmung steigt die Wahrscheinlichkeit solcher Extremwetterereignisse weiter.
Die Folgen von Extremwetterereignisse gehen aber über direkte wirtschaftliche Schäden hinaus. Steigende Versicherungskosten, hohe Wiederaufbauausgaben und Beeinträchtigungen der Infrastruktur belasten öffentliche Haushalte ebenso wie Unternehmen und Privatpersonen. Das österreichische Risikobild zeigt auf, dass Extremwetterereignisse Lieferketten unterbrechen, Versorgungssicherheit gefährden und durch Ressourcenknappheit zu gewaltsamen Verteilungskonflikten führen können. Außerdem verstärken sie bestehende Versorgungsrisiken und setzen in Kombination mit anderen Krisen – etwa geopolitischen Konflikten oder Handelsbeschränkungen – die wirtschaftliche und politische Stabilität zusätzlich unter Druck.
Desinformation
Ein drittes wachsendes sicherheitspolitisches Risiko ist die Verbreitung von Desinformation. Sie vertieft die gesellschaftliche Spaltung vertieft und destabilisiert demokratische Prozesse. Das Risikobild 2025 unterstreicht, dass Desinformation nicht auf den Medieninhalt zu reduzieren ist, da es darauf abzielt „die Stabilität unserer demokratischen Gesellschaft zu untergraben“. Die Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien stellt fest, dass die Klimakrise neben Russlands Angriffskrieg und COVID-19 zu den zentralen Themen von Desinformation zählt und während der Hitzewellen im August rund 20 Prozent der erfassten Desinformationsinhalte ausmachte.
Neben extern gesteuerten Kampagnen ist auch die Verzögerung politischer Entscheidungen eine Form der Desinformation mit sicherheitsrelevanten Folgen. Eine Klimadiskursanalyse von KONTEXT (2024) zeigt, dass 57 Prozent der Aussagen, die Klimaschutz verzögern, von politischen Akteur:innen stammen. Besonders häufig werden Scheinlösungen propagiert oder wirtschaftliche und soziale Kosten betont, um Maßnahmen hinauszuzögern. Genau die Maßnahmen, die sicherheitspolitisch notwendig wären: Ausbau erneuerbarer Energien, Elektrifizierung der Industrie, Renaturierung und Entsiegelung von Böden für Katastrophenschutz und vieles mehr.
Die gezielte Steuerung des öffentlichen Diskurses beeinträchtigt nicht nur die Klimapolitik, sondern auch die politische Stabilität und demokratische Entscheidungsprozesse. Das macht geordnete Reformen schwieriger. Denn die Voraussetzung für die Lösung all dieser Herausforderungen und die Umsetzung von notwendigen Maßnahmen sind stabile demokratische Prozesse und Institutionen.
Fazit
All diese Punkte unterstreichen: klimapolitische Maßnahmen sind in vielen Fällen auch sicherheitspolitisch relevant. Der Ausbau von erneuerbaren Energien und die Elektrifizierung von industriellen Prozessen stabilisieren die Energiepreise und lösen uns gemeinsam mit einer Forcierung der Kreislaufwirtschaft aus der Erpressbarkeit. Die Senkung unserer Emissionen, proaktive Renaturierung und Anpassungsmaßnahmen sind für den Katastrophenschutz und den Schutz vor Extremwetterereignissen unabdingbar. Und der Kampf gegen Desinformation ist für stabile demokratische Prozesse notwendig, die die Grundlage einer Ökologisierung der Wirtschaft und Gesellschaft darstellen.